Kleine Zeitung Steiermark

Die rote Ruhe nach dem Sturm

- Von Claudia Gigler

Die Tage von Christian Kern als Kanzler sind gezählt. Seine Stunde als Schrittmac­her der SPÖ steht ihm erst bevor.

Es ist eine erstaunlic­he Gelassenhe­it, die am Tag nach der Wahl von den Sozialdemo­kraten Besitz ergreift. Sie ist dem Umstand geschuldet, dass man nahezu dankbar erkannt hat: Der Ball liegt beim Ersten, und das ist erstmals seit vielen Jahren nicht die SPÖ. Damit ist auch die Frage – vorerst – obsolet, wer mit wem und warum.

Viele haben für den Tag nach der Wahl eine Personalde­batte erwartet, manche auch gemutmaßt, Kern selbst werde den ersten Schritt tun und die Geschicke der Partei einem anderen überlassen. Nichts davon ist der Fall. Auch weil sich die SPÖ trotz aller Skandale gut gehalten hat bei der Wahl, sieht man davon ab, dass die ÖVP an ihr vorbeigezo­gen ist.

Anders als bei ÖVP und FPÖ tagten schon gestern die Gremien. Die Botschaft ist simpel: Jetzt redet Kurz. Dann allenfalls Kern. Ihm traut man zu, die Lage zu sondieren, die Möglichkei­ten abzuschätz­en, in allfällihä­tte gen Verhandlun­gen ein herzeigbar­es Ergebnis zu erzielen. Und ihm nimmt man es auch ab, dass er selbst es sich zutraut, (fast) alle etwaigen Rollen zu übernehmen: den Kanzler in einer rot-blauen Regierung, den Opposition­schef bei einer Koalition von Türkis und Blau. Nur den Vizekanzle­r in einer türkisrote­n Liaison, der Neuauflage von Rot-schwarz, den will ihm kaum jemand zumuten.

Einstimmig hat das Präsidium beschlosse­n, dass „mit jedem“geredet wird. Nur die Jugendorga­nisationen stemmten sich im Vorstand dagegen. Vorbei die Zeiten, in denen ein Dogma, die „Vranitzky-doktrin“, den Weg vorzeichne­te, den die Parteispit­ze zu nehmen hatte. Man hält sich alle Optionen offen. Sogar Michael Häupl sagt, er habe keine Bedenken gegen Gespräche mit den Freiheitli­chen. Eine Koalition mit der FPÖ will er freilich nicht, aber sogar für diesen Fall gibt es eine Exitstrate­gie: Der Kriterienk­atalog gibt die Richtung vor für eine konkrete Option. Und am Wort sind danach ohnehin die Mitglieder. Auf dem Weg zum Parteipräs­idium: Verteidigu­ngsministe­r Doskozil,

Wenn die Ja sagen, kann auch Häupl nichts dagegen haben.

Kern ist also entschloss­en, das Heft des Handelns in der Hand zu behalten. Und er will keine Türen zuschlagen. „Das haben wir heute klargemach­t.“Ob er ins Spiel kommt, vermag heute noch keiner zu sagen.

Der burgenländ­ische Landeshaup­tmann Hans Niessl ist der Verwalter eines rot-blauen Experiment­s, das den Roten zwar kaum Verluste, den Blauen aber fast die Nummer eins gebracht

im Burgenland. Ein Erfolgsmod­ell? Für Niessl immer noch ja. Er war zuletzt übrigens bei allen Regierungs­verhandlun­gen auf Bundeseben­e dabei. Seine Lehre aus dem Scheitern von Rot-schwarz: „Wir dürfen nicht mehr so viel Spielraum zulassen. Konkrete Vorhaben benennen, mit zeitlichen Vorgaben versehen. Nur so geht es.“Mit wem auch immer.

Die Zeiten seines Landsmanne­s Hans Peter Doskozil als rotblau schillernd­er Kronprinz

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