Türkis gegen Schwarz
Mit der Zuspitzung auf ihren Spitzenkandidaten gewann die türkise ÖVP die Wahl. Sieht sie wegen des Einflusses von Bünden und Ländern bald wieder schwarz?
Türkis ist das neue Blau, war im Wahlkampf immer wieder, wenig schmeichelhaft gemeint, zu hören. Gestern gönnte sich die türkise ÖVP tatsächlich einen „blauen Montag“, wie er bei den Freiheitlichen seit Langem Tradition ist. Nichts zu hören von der Führungsriege der Wahlsieger rund um Parteiobmann Sebastian Kurz und Generalsekretärin Elisabeth Köstinger. Während das arbeitende Volk bereits in die neue Woche startete, war die türkise Wahlparty im Wiener Kursalon Hübner für die Konditionsstarken noch nicht zu Ende. Über die nächsten Schritte wird erst heute in der Parteizentrale geredet. Am Donnerstag soll Kurz im Parteivorstand ermächtigt werden, mit einem von ihm gewählten Team Koalitionsverhandlungen zu führen. Am Freitag dürfte er von Bundespräsident Alexander Van der Bellen den Auftrag zur Regierungsbildung erhalten. Die Präferenz für eine Koalition mit den Freiheitlichen war auch bei der Wahlparty kaum zu überhören.
Spätestens dann werden Bünde und Länder, die im Wahlkampf so brav still hielten, wieder ihre Ansprüche anmelden. Kurz hat sich bei seiner Wahl zum Parteichef jedoch auch Vollmachten für Regierungsverhandlungen und die Auswahl von Ministern zusichern lassen. „Der Chef hat das Sagen“, wird von der Parteizentrale als Credo ausgegeben. Daran glaubt auch der frühere Eu-kommissar Franz Fischler: „Allen wird Kurz sicher nicht Zugeständnisse machen. Der meint das sehr ernst.“Zumindest werde man versuchen, den Eindruck zu verhindern, dass die Strukturen immer noch maßgeblich sind.
Die Wahltagsbefragung des Sora-instituts zeigt, dass 42 Prozent der Övp-wähler „den Spitzenkandidaten“als Wahlmotiv angaben, nur für 15 Prozent waren es „inhaltliche Standpunkte“. Ist die ÖVP zum reinen Kanzlerwahlverein mutiert, wie Kritiker meinen? „Das ist der Partei ja schon öfters passiert“, sagt Ex-obmann Erhard Busek mit Verweis auf Josef Klaus, Alois Mock (weniger erfolgreich) und Wolfgang Schüssel (kurzzeitig). Kurz habe „einen Schritt der Veränderung“gesetzt, wie nachhaltig diese wird, entscheidet sich wohl bald. „Die Erneuerung der Partei ist irreversibel“, konstatiert eine Kennerin der Partei nüchtern. Populistisches Talent allein werde jetzt nicht mehr reichen. Es gelte auch, die ausgeprägte Klientelpolitik zu reduzieren. Manche gehen davon aus, dass Kurz „etwas Neues“probieren möchte – mit mehreren „unabhängigen“und „problemlösungsorientierten“Ministern oder neben der FPÖ auch die Neos mit ins Boot holen. „Reformiert hat er die Partei noch nicht“, sagt Busek, der den gestiegenen Einfluss der Jungen ÖVP nicht unkritisch sieht. „Für eine Wahl ist so eine Jugendtruppe ausgezeichnet, jetzt muss Kurz aber eine Regeltruppe schaffen.“
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