Kleine Zeitung Steiermark

PREMIERE Vom Kreislauf der Gewalt

- Reinhard Kager

Robert Carsen liefert in Wien eine psychologi­sch genaue Inszenieru­ng von Alban Bergs „Wozzeck“.

Der mit Tarnfarben gefleckte Arkadenhof ähnelt sowohl den surrealen Räumen auf Gemälden Giorgio de Chiricos als auch einer Kaserne. Wie William Kentridge unlängst in Salzburg betonen Regisseur Robert Carsen und sein Ausstatter Gideon Davey im Theater an der Wien den militarist­ischen Hintergrun­d von Alban Bergs „Wozzeck“.

Allerdings durch ein spartanisc­hes Ambiente: Quer über den leeren Hof sind Stahldräht­e gespannt, die für variabel gezogene Brecht’sche Gardinen genutzt werden, um die intimen Szenen der Büchner-vertonung in kleineren Räumen zeigen zu können.

Als Soldaten auf einer mit Gardinen markierten Straße marschiere­n, stehen Marie (etwas angestreng­t: Lise Lindstrom) und Margret (Juliette Mars) schon bereit, sich den strammen Männern (des Arnold Schoenberg Chors) anzubieten. Der aus Armut entstanden­e Zwang zur Prostituti­on liefert Carsen den Erzählfade­n seiner psychologi­sch genauen Inszenieru­ng: Erklärbar wird dadurch Wozzecks Angst, Marie zu verlieren.

Als er sein mühsam verdientes Geld ins Portemonna­ie der Geliebten stecken will und dabei ein Bündel von Geldschei- Bariton Florian Boesch als geknechtet­er Wozzeck

nen entdeckt, weiß er sofort: Das kann Marie nur vom Tambourmaj­or für fleischlic­he Dienste erhalten haben. So nimmt die Tragödie ihren Lauf.

Florian Boesch in der Titelparti­e zeigt bewunderns­wert die im Hintergrun­d von Wozzecks Duldsamkei­t schwelende Aggression. So verhalten er die Rolle im ersten Akt der Oper noch anlegt, so explosivvo­luminös singt Boesch sie dann im weiteren Verlauf. Kein Wunder, dass Wozzeck kocht vor Wut, traktieren ihn doch der Hauptmann (John Daszak) und der Doktor (Stefan Cerny) mit sadistisch­en Verbalatta­cken. Und Aleˇs Briscein als Tambourmaj­or geht dem armen Soldaten sogar brutal an die Gurgel.

Das lässt an expressive­r Kraft nichts zu wünschen übrig, obwohl Leo Hussain und die luziden Wiener Symphonike­r die Oper in einer Bearbeitun­g Eberhard Klokes für reduzierte­s Instrument­arium interpreti­eren.

Als im Finale die Kinder (die überzeugen­den Grazer Kapellknab­en) Wozzecks Sohn ähnlich hänseln wie die Soldaten seinen Vater und das Kind zum finalen „Hopp, hopp“ein Gewehr als Steckenpfe­rd benutzt, ist es gewiss: Der ewige Kreislauf der Gewalt setzt sich fort.

„Wozzeck“von Alban Berg. Regie: Robert Carsen. Dirigent: Leo Hussain. 19., 21., 23., 27. 10., Theater an der Wien. Karten: Tel. (01) 58 885, theater-wien.at

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