Uneindeutigkeit als Fall für das Theater
Das Murkraftwerk wird in „Der Bau“zum brisanten Bühnenstück. Premiere morgen.
Man wollte sich in der Mitte treffen. Regisseur Helmut Köpping wartet am sogenannten Puchsteg über der Mur. In Sichtweite des entstehenden Wasserkraftwerks, dieses Zankapfels, der gerade in jener Stadt für Entzweiung sorgt, die seit jeher durch die Mur in zwei Hälften geteilt ist. Das von der Stadtpolitik forcierte Projekt polarisiert: Seit Jahren engagieren sich Umweltschützer gegen die Riesenbaustelle im Grazer Süden. Ein Konflikt, dem das Theater im Bahnhof ab morgen in all seiner Vielschichtigkeit nachspüren will.
In „Der Bau“erzählen Köpping und sein achtköpfiges Tib-team die Geschichte eines Professors, der für seine Antrittsvorlesung nach Graz kommt und in seiner Unterkunft auf zwei Antikraftwerksaktivistinnen trifft, die ihn für ihre Sache gewinnen wollen. Die Stadtpolitik kommt hierbei weder auf der Bühne noch im Untertitel zu kurz: „Wie mein katholischer Bürgermeister und sein nationaler Vize meine Stadt nachhaltig verändern.“Das Theater als Stadtminiatur.
„Es geht uns nicht darum, zu agitieren, sondern die Sache archäologisch zu begreifen und die Schichten dieses Diskurses zu erkennen“, erklärt Köpping, der die Problematik zwischen Erhaltung und Gestaltung aus einer globalen Perspektive behandeln will. „Daraus entstehen ein neuer Blick und eine neue Erzählung“in einer Debatte, in der einander die Konfliktparteien nichts mehr zu sagen haben.
„Ambivalenz lässt sich am Theater gut erzählen. Wenn es psychologisch komplex und uneindeutig wird, ist das ein Fall für das Theater“, erklärt der Regisseur und Schauspieler. Kommt das Stück als Dialogforum für das Kraftwerk nicht zu spät? „Ja, vielleicht.“Aktueller könnte es dennoch nicht sein: Nicht nur weil derzeit an der Mur wieder die Motorsägen aufheulen. Premiere ist am Nationalfeiertag.
Premiere morgen. Weitere Termine: 28. Oktober, 1., 2., 4., 16., 17., 18. November, 20 Uhr. Elisabethinergasse 27a, Graz. Karten: Tel. 0316 76 36 20. Infos: www.theater-im-bahnhof.com