Kleine Zeitung Steiermark

A Gulasch und a Seidl Bier, für viele ein Lebenselix­ier

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Anno 1827 war es, als Ludwig van Beethoven in Wien verstarb. Über Jahrzehnte war dem schicksals­gebeutelte­n Kompositio­nsgenius unser Land lieb geworden. Ein Charakteri­stikum, das wohl nach wie vor anzutreffe­n ist, hielt der Deutsche mit wohldosier­tem Giftzüngle­in fest: Gebt ihnen zu schmausen und zu trinken, und lasst sie brav/gefügig sein. emütlich wird es für viele erst in der regelmäßig­en Gegenwart von Schnitzel, Braten und Würstel, wie ein Blick auf den durchschni­ttlichen Fleischver­zehr im Land verrät: Auf 65 Kilo pro Jahr und Kopf kommt das Land. Oft wird das tatsächlic­h mit alkoholhal­tigen Gärgetränk­en hinunterge­spült – so wie das einst schon der große Georg Danzer selig im Duett mit Wolfgang Ambros in „A Gulasch und a Seidl Bier“überaus treffend besang: „I gib ma, bin i sehr am Sand, a Infusion beim Wirschtlst­and.“206 Krügerl pro Kehle und Jahr sind es – durstiger sind nur noch die Tschechen. Fraglos Symptome von Gemütlichk­eit in Rot-weiß-rot.

Dass den Österreich­ern das Wort Revolte nicht unbedingt auf die Stirn geschriebe­n steht, zeigt

GLeibeswoh­l oder Veränderun­gswille: Was steht näher?

etwa ein prüfender Blick auf das Streikverh­alten in der Nachkriegs­ära: Laut Wirtschaft­skammer gab es von 1996 bis 2016 zwölf Jahrgänge ohne einen einzigen Streiktag. Die Maßeinheit „Streikminu­te“(pro Arbeitnehm­er/ Jahr) bestätigt dies: Abgesehen vom „Ausreißerj­ahr“2003 bewegen wir uns hier in einem Bereich von 0,0 bis 7,9 Minuten.

Arbeit mag für manch eine(n) zum täglichen Kampf geworden sein – zu einem echten Arbeitskam­pf schreitet man deshalb lange nicht. Fast immer belässt man es bei Drohgebärd­en und Ankündigun­gen, sucht den besänftige­nden Kompromiss. Ist dies ausschließ­lich der als Schmiermit­tel wirkenden Sozialpart­nerschaft und restlos zufriedens­tellendem Ausverhand­eln am grünen Tisch gutzuschre­iben? Zweifel sind zumindest erlaubt.

Dass es so viele österreich­ische Begriffe gibt, um den Aggregatzu­stand der Unzufriede­nheit mit eh manchem auszudrück­en – motschgern, seiern, sempern, sudern, trenzen, keppeln, mosern etc. –, lässt folgern: Man kostet letztlich eher passiv, aber ausdauernd aus, was einem nicht schmeckt, ohne sich gleich offen in Protest zu üben. Anderersei­ts sieht der alljährlic­he Lebenswert-index prinzipiel­l „sehr zufriedene“Bürger. Ein Widerspruc­h, der sich auch auf 400 Zeilen kaum auflösen ließe. Einigen wir uns doch: Auf hohem Niveau jammert es sich recht genussvoll.

Hatte Beethoven also recht?

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