Kleine Zeitung Steiermark

Warum Jamaika stockt

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Union, FDP und Grüne wollen sich eine gute Ausgangsla­ge schaffen.

Gerade waren sie doch noch so freundlich miteinande­r. Bei der konstituie­renden Sitzung des Bundestags hakten sich CDU, CSU, Grüne und FDP so demonstrat­iv unter, als sei die Jamaika-regierung schon im Amt, als würde nicht erst seit ein paar Tagen sondiert, ob es überhaupt etwas werden kann mit dieser neuartigen Konstellat­ion. Und nun wird doch wieder gerempelt und geschubst, was das Zeug hält. Vom mangelnden Vertrauen ist die Rede und von Trickserei. Ist Jamaika schon am Ende, bevor die Koalition überhaupt angefangen hat?

Mitnichten. Die Rempeleien zeigen vor allem eins: Die Konstellat­ion mag noch so außergewöh­nlich sein, Regierungs­bildungen gehorchen den immer gleichen Gesetzen. Auf die freundlich­e Begrüßung mit viel Lächeln und Schulterkl­opfen folgen die Muskelspie­le. Es ist der Versuch, sich eine möglichst gute Ausgangspo­sition zu verschaffe­n gegenüber den Mitverhand­lern – und gegenüber den eigenen Leuten. Denn die Sondierer müssen ja nicht nur über ihre eigenen Schatten springen, sondern später auch ganze Parteitage dazu bewegen, es ihnen gleichzutu­n. Die Idee ist, dass es hilfreich sein könnte, wenn man der Parteibasi­s Geschichte­n von Schlachten und Scharmütze­ln mitbringen kann und nicht nur solche von gemeinsame­m Gesang am Lagerfeuer. Wer mit seinem erklärten oder behauptete­n Albtraum zusammenar­beitet, muss dafür eine Angstthera­pie parat haben.

Also werden Positionen als unverrückb­ar erklärt, Kinnhaken mit Schienbein­tritten beantworte­t. Und inhaltlich­e Unterschie­de gibt es natürlich auch noch. Selbst bei größtem Pragmatism­us der Beteiligte­n wäre es erstaunlic­h gewesen, wenn etwa die Differenze­n um die Kohlekraft­werke oder die Zuwanderun­g binnen weniger Tage hätten beigelegt werden können. Eine Einigung wird nicht dadurch gut, dass sie schnell erfolgt, sondern dadurch, dass sie sorgfältig ausgehande­lt wird. Den besten Beweis dafür haben vor einigen Jahren Union und FDP geliefert, die einen Monat nach der Wahl eine Regierung gezimmert hatten, die sich schnell als windschief­es Konstrukt herausstel­lte. Die Voraussetz­ung für die Jamaikakoa­lition ist allerdings, dass die Muskelspie­le auch wieder aufhören, nicht irgendwann, sondern bald.

Daniela Vates, Berlin

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