Bürgerlichkeit, zementiert mit Plan und Kran
Das Theater im Bahnhof seziert im neuen Stück „Der Bau“die Debatte ums Murkraftwerk. Dabei kriegt jede Seite bissig ihr Fett ab.
Bissig, ein bisserl hinterfotzig und dabei wohltuend perspektivenreich zerlegt das TIB unter der Regie von Helmut Köpping eine Debatte, die so alt ist wie eine spätpubertierende Tochter, auf der Bühne in ihre Einzelteile. Das passiert politisch präzise, durchgeknallt, bunt und genauso unvorhersehbar wie Debatten mit Menschen in diesen Krisenjahren.
Als desillusionierter Prof.anwärter kommt Rupert Leho- fer, mit Unterhose und Toiletttasche bepackt, in eine Airbnbwohnung nach Graz. Er möchte nur duschen, gelangt aber in ganz anderes Fahrwasser. In jenes der – bürgerlichen – Vertreterinnen, die in der Unterkunft ein Protestcamp gegen das Kraftwerk eingerichtet haben.
In dem von ihm gebuchten Bett liegen die Koalitions-ehepartner, deren Verhandlungen via Videoeinstieg aus dem Hinterzimmer projiziert werden. Gabriele Hiti brilliert als Bürgermeister, ihr Gesicht dient als Projektionsfläche für alle Beteiligten. Juliette Eröd ist, als vom Wahnsinn gestochener Vize, stärker mit Hexern beschäftigt als mit Realpolitik. Die Pointen fließen einen Abend ungehindert. Jede Seite kriegt ihr Fett ab – genauer gesagt Dreckwasser aus dem Mühlgang, das, vom Publikum beschnuppert, in einem Kübel reihum weitergereicht wird, während Protokolle aus dem Gemeinderat vorgetragen werden.
Herausragend der Schlussmonolog des Bürgermeisters: Wie Hiti ausholt, allen ein bisschen recht gibt und dabei die Bürgerlichkeit einzementiert, das hat große Klasse. Auf der Theaterbühne. Politisch kann man das nicht behaupten. Gut, dass uns das TIB daran erinnert.
Termine: Heute, 1., 2., 4., 16.–18. 11. sowie 6., 7., 9. und 20. 12., 20 Uhr, TIB, Elisabethinergasse 27a, Graz. Karten: Tel. (0 316) 76 36 20. www.theater-im-bahnhof.com