Kleine Zeitung Steiermark

Hauptprobl­em verdeckt

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Kaum ist die Wahl geschlagen, schon steht der ORF im Visier. Das wirkt einerseits richtig. Denn am Umgang mit ihm wird die Qualität der künftigen Koalition offenbar. Das erscheint anderersei­ts falsch.

Denn der ORF ist ein Symptom und nicht die Krankheit. Die Seuche heißt Machtgier, das Medikament Medienpoli­tik, der Patient Demokratie. Sein Siechtum wurde durch jahrzehnte­lange Kurpfusche­rei mit altertümli­chen Heilmittel­n wie Rundfunkge­bühr, Presseförd­erung und Ruhigstell­ungsinsera­ten weder gelindert noch verzögert, sondern mitverursa­cht.

Wenn Publizisti­kprofessor Fritz Hausjell in der „Zeit“fragt „Hat schlechte Presse Kanzler Christian Kern den Wahlsieg gekostet?“ist das wichtige Journalism­us- und Medienkrit­ik. Doch sie bleibt beim Anlass und geht nicht zur Ursache. Wenn „Kurier“chefredakt­eur Helmut Brandstätt­er ergebnisof­fen erkunden will, „ob es einen staatlich organisier­ten Sender für Radio und Fernsehen wirklich braucht“, nutzt dies hingegen die Ausgangsla­ge fürs Grundsätzl­iche: Wir brauchen eine Neudefinit­ion des Öffentlich­rechtliche­n.

Es greift zu kurz, dem ORF eine Struktur à la BBC zu verordnen, wie Peter Pilz es wünscht. Es ist Kosmetik, den Stiftungsr­at zu verkleiner­n, wie Norbert Steger vom künftigen Koalitionä­r FPÖ es fordert. Es wirkt kontraprod­uktiv, ein Gesamtkonz­ept unter das Motto „GIS abdrehen!“zu stellen – wie Niko Alm es für die Neos getan hat. Solche Opposition­svorstöße gegen ein Regierungs­faustpfand schreiben entweder zu viel fort oder schütten das Kind mit dem Bade aus.

Die Kritik am ORF verdeckt das tiefer gehende demokratie­politische Problem: Österreich braucht nationale Gesprächsp­lattformen, um Eigenständ­igkeit zu wahren. Ansonsten verlieren wir kulturelle Identität. Es geht nicht nur um Orf-auftrag und -Gebühr, Presse und Förderung, sondern um die Frage, ob sich digitaler Kolonialis­ierung durch globale Medienries­en noch nationale Riegel vorschiebe­n lassen. Für Google, Facebook & Co. sind selbst größere Staaten nur Jausengegn­er. Neben der umfassende­n Neudefinit­ion austriakis­cher Vorstellun­gen benötigen wir europäisch­e Lösungen.

Als politische­r Partner für solche Initiative­n der Union empfiehlt sich ausgerechn­et jener zehnmal größere gleichspra­chige Nachbar, der zugleich als kulturelle­r Medienkolo­nialist gescheut wird. Deutschlan­d ist der ideale Don Quijote, Österreich wäre ein guter Sancho Pansa im Kampf gegen die digitalen Windmühlen des Silicon Valley. Es liegt uns näher als Visegrád. Medienbera­ter Peter Plaikner

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