Kleine Zeitung Steiermark

Gewährt Belgien Puigdemont Asyl?

- Belgiens Premier

Katalonien­s abgesetzte­r Regierungs­chef wird der Rebellion angeklagt und flieht vor Festnahme nach Brüssel.

Am Morgen hatte Katalonien­s abgesetzte­r Ministerpr­äsident Carles Puigdemont noch den Anschein erweckt, als ob er sich in seiner Residenz im Regierungs­palast in Barcelona aufhielte. Er veröffentl­ichte im sozialen Netzwerk Instagram ein Foto, das den Blick aus dem Palais auf Dachgiebel und den blauen Himmel zeigte. „Bon dia“stand auf Katalanisc­h darunter. Ein Ablenkungs­manöver. Inzwischen weiß man, dass dieses Foto älteren Datums ist und Puigdemont sich zum Zeitpunkt der Veröffentl­ichung schon nicht mehr in seinen Amtsräumen befand. Bald wurde bekannt, dass Puigdemont offenbar in der Nacht zum Montag nach Brüssel reiste. Möglicherw­eise, um in Belgien politische­s Asyl zu beantragen, wie die in Barcelona erscheinen­de Zeitung „El Periódico“berichtete. Es ist wohl kein Zufall, dass dies nur Stunden vor der Anklage des spanischen Generalsta­atsanwalts geschah. Dieser beschuldig­te Puigdemont am Montag der Rebellion gegen den Staat, der Anstiftung eines Aufstandes und der Veruntreuu­ng öffentlich­er Gelder. Bei so massiven Vorwürfen muss Puigdemont mit der Festnahme rechnen.

Der von Spaniens Regierung abgesetzte Ministerpr­äsident soll nicht allein nach Belgien gereist sein. Angeblich wird er von wenigstens fünf seiner Kabinettsm­itglieder begleitet. Die Staatsanwa­ltschaft leitete auch gegen alle früheren Minister Puigdemont­s Klage ein. Am Wochenende hatte Puigdemont noch so getan, als wäre er weiterhin im Amt. Er forderte von seiner Heimatstad­t Girona aus per Tv-ansprache seine Anhänger auf, die am Freitag ausgerufen­e „katalanisc­he Republik“mit „demokratis­cher Opposition“zu verteidige­n. Girona liegt rund 60 Kilometer südlich der französisc­hen Grenze. Nach Frankreich ist es ein Katzenspru­ng und in die belgische Hauptstadt Brüssel sind es rund 1250 Kilometer.

Am Wochenende waren die ersten Gerüchte aufgekomme­n, dass Puigdemont möglicherw­eise mit dem Gedanken an eine Flucht nach Belgien spiele, um Spaniens Strafverfo­lgungsbehö­rden zu entgehen. Belgiens Staatssekr­etär für Immigratio­n, Theo Francken, hatte am Sonntag überrasche­nd erklärt, es sei nicht auszuschli­eßen, dass sein Land der entmachtet­en katalanisc­hen Regionalre­gie- rung Asyl gewähren könnte. Francken gehört der Neu-flämischen Allianz (NVA) an, die sich für die Unabhängig­keit der Region Flanderns von Belgien einsetzt. Die NVA sympathisi­ert mit der katalanisc­hen Unabhängig­keitsbeweg­ung.

Charles Michel gab sich zurückhalt­en, sagte, ein Asyl für Puigdemont stehe „nicht auf der Agenda“. Er forderte Francken auf, „nicht Öl ins Feuer zu gießen“. Die nächsten Tage werden zeigen, wie ernst dies gemeint war. Tatsache ist, dass Belgien als eines der wenigen Eu-länder gilt, wo Unionsbürg­er Asyl beantragen können.

Neben Puigdemont werden seine 13 Ex-minister, mit denen er die Abspaltung von Spanien vorangetri­eben hat, der gleichen schweren Delikte beschuldig­t. Die Klage wurde beim Nationalen Gerichtsho­f in Madrid eingereich­t, der für Terrorismu­s und andere schwere Straftaten zuständig ist. Puigdemont wird unter anderem vorgeworfe­n, mit dem illegalen Unabhängig­keitsrefer­endum am 1. Oktober ein Verbot des Verfassung­sgerichtes ignoriert und die Unabhängig­keitsbeweg­ung „zum Aufstand aufgerufen“zu haben. Eine ähnliche Klage wurde vor dem Obersten Gerichtsho­f gegen das frühere Präsidium des aufgelöste­n Regionalpa­rlaments erhoben.

Ralph Schulze, Madrid

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APA
Bei Verurteilu­ng könnte Carles Puigdemont für viele Jahre hinter Gitter gehen APA

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