Aufstand gegen den Papst
Papst Franziskus krempelt seine Kirche um und bringt damit die alten Eliten gegen sich auf. Die Traditionalisten bezichtigen ihr Oberhaupt offen der Häresie.
Gutes Mittagessen und auf Wiedersehen!“So unpäpstlich wie immer verabschiedete Papst Franziskus auch zu Allerheiligen die Schaulustigen und Gläubigen auf dem Petersplatz. Der Elan des 80Jährigen scheint ungebrochen, der Mann des Volkes winkt den Massen zu, empfängt pausenlos Gäste und reist durch die Welt. Seine nächsten Ziele sind Myanmar und Bangladesch, im Jänner stehen Chile und Peru auf dem Programm. Doch der Eindruck vom rastlosen Pontifex täuscht. Vertraute sagen über Franziskus, er stoße immer häufiger an seine physischen Grenzen. „Manchmal pfeift er aus dem letzten Loch“, urteilt ein Kirchenmann, der den Pontifex oft aus nächster Nähe sieht.
Dabei bräuchte Franziskus derzeit besonders viel Energie. Die katholische Kirche im Jahr 2017 gibt ein desolates Bild ab. Die Veränderungen kommen nur mit größter Mühe voran. Die Finanzreformen des Papstes treten auf der Stelle. Das für Wirtschaft, das als neue Kontrollstelle im Vatikan konzipiert war, ist seit Sommer ohne Führung. Der verantwortliche Kardinal, George Pell, muss sich in seiner Heimat Australien einem Prozess wegen Kindesmissbrauch stellen, der vatikanische Rechnungsprüfer Libero Milone wurde unter mysteriösen Umständen entlassen. Machtkämpfe und Korruption sind an der Tagesordnung. Zudem werden ideologische Grabenkämpfe ausgetragen, nicht nur in der Kirchenführung, sondern längst auch unter den Gläubigen.
Erst vor Wochen gingen die Kritiker des Papstes aufs Ganze: Mit einer „brüderlichen Korrektur“wollen sie Papst Franziskus zur Umkehr bewegen. Der Papst verbreite Irrlehren, die so nicht hingenommen werden könnten. Der rechte Glaube sei in Gefahr. Es handelt sich um Katholizismus unter verkehrten Vorzeichen, denn noch nie sich Priester, Theologen und Laien bemüßigt, das Lehramt des Papstes zu korrigieren und ihn der Häresie zu bezichtigen. Die ursprünglich 62 Unterzeichner, unter ihnen Figuren aus dem traditionalistischen Spektrum wie der ehemalige Chef der Vatikanbank Ettore Gotti Tedeschi, der Chef der umstrittenen Piusbruderschaft, Bernard Fellay, oder der deutsche Schriftsteller Martin Mosebach, behaupten, Franziskus sei eine Gefahr für den katholischen Glauben.
Zuvor hatten vier pensionierte, aber einflussreiche Kardinäle, darunter der inzwischen verstorbene ehemalige Kölner Erzbischof Joachim Meisner, öffentlich das Lehramt von Franziskus angezweifelt. Weil viele Gläubige weiter Hoffnungen in den Papst legen, starteten auch seine Befürworter eine Aktion. Auf Initiative des Wiener Theologen Paul Zulehner und des Prager Religionsphilosophen Tomáˇs Halík unterzeichneten inzwischen knapp 38 000 Mensekretariat schen einen solidarischen Aufruf für Franziskus und bestärkten ihn, auf seinem Weg weiterzugehen. Zu den Unterzeichnern gehören unter anderem der österreichische Amazonasbischof Erwin Kräutler, der deutsche Ex-bundestagspräsident Wolfgang Thierse oder der ehemalige italienische Europaminister Rocco Buttiglione. Die beiden Lager streiten unversöhnlich um den richtigen Kurs der katholischen Kirche.
Kern des Konflikts ist das Nachsynodale Schreiben Amoris laetitia vom März 2016, in dem Franziskus seine Schlussfolgerungen aus den zwei Familiensynoden 2014 und 2015 zieht. Er signalisiert darin Entgegenkommen bei der Zulassung wiederverheirateter Geschiedener zu den Sakramenten. Für Traditionalisten handelt es sich dabei um einen Tabubruch, da das Dogma der Unauflöslichkeit der Ehe aus den Angeln gehoben und die Scheidung auf Katholisch akzeptiert werde. Die Befühlten