„Die Gefahr ist noch nicht vorbei“
Schwer bewaffnete Polizisten überwachten Allerheiligengottesdienst in Stiwoller Kirche. Todesschütze Friedrich F. (66) weiter flüchtig.
Allerheiligen unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen: Die Prozession und die Segnung der Gräber wurden abgesagt. Der Gottesdienst vom Vormittag und die Gedenkfeier am Nachmittag finden in der Kirche statt. Und die ist von schwer bewaffneten Einsatzkräften bewacht. Scharfschützen der Cobra haben sich im Gemeindeamt nebenan postiert, mit Blick zur Kirche. Rundherum stehen Beamte der Einsatzeinheit, mit schussbereitem Sturmgewehr. In der Kirche haben sich Polizisten in Zivil postiert.
Die 730-Einwohner-gemeinde Stiwoll am vierten Tag nach dem Blutbad, das der 66-jährige Friedrich F. angerichtet hat. Der Todesschütze ist noch immer flüchtig.
„Ich begrüße alle, die unter schwierigen Bedingungen gekommen sind“, beginnt Pater Stefan Varga den Gottesdienst. „Für Gerhard und Heidi brennt hier die Osterkerze. Sie wird erst erlöschen, wenn wir uns von ihnen verabschiedet haben. Wann die Verabschiedung stattcobra finden kann, wissen wir nicht. Denn die Gefahr ist noch nicht vorbei.“
Der Pater selbst steht auf der Liste der Gefährdeten, die die Polizei erstellt hat. Der Geistliche hatte, wie viele andere Ortsbewohner, Schwierigkeiten mit dem mutmaßlichen Doppelmörder. Was Auslöser für den Streit war, sagt Varga nicht. „Ich möchte keine Stellungnahme abgeben“, winkt er ab. „Mich brauchen jetzt die Familien.“
Auf dem Weg zur Kirche lässt Romana Beck ihren Gefühlen freien Lauf. „Ich habe 25 Jahre im Gemeindeamt gearbeitet und mit diesem Mann Schlimmes mitgemacht. Aber viele haben ihn für gut befunden. Jetzt sind zwei Menschen tot. Ich frage mich, was muss noch geschehen?“, klagt sie und wischt sich die Tränen vom Gesicht.
Der pensionierte Landwirt Emmerich Beck, der zwei Kilometer vom Tatort entfernt wohnt, hatte mit Friedrich F. keine Probleme. Aber: „Für mich war er immer unberechenbar“, erzählt er. „Ich bin nie zu ihm hinuntergegangen.“Auch der Gastwirt Gerald Zettel war einer der wenigen Bür- ger, die mit dem Gesuchten keine Auseinandersetzung hatten. Er hofft, dass die Normalität bald wieder einkehrt. „Vielleicht finden sie ihn heute.“
Auch am Allerheiligentag fahndet die Polizei mit mehr als 300 Kräften nach dem mutmaßlichen Doppelmörder. Diesmal werden noch einmal die Gebäude auf dem Anwesen, auf dem die tödlichen Schüsse gefallen sind, und der angrenzende Wald durchsucht. Aus diesem Anlass wurden noch zusätzliche Kräfte wie die Wiener Spezialtruppe Wega und eine Einsatzeinheit aus Oberösterreich nach Stiwoll beordert. Zurzeit sind Polizisten aus allen Bundesländern rund um den Tatort im Einsatz.
In der Nacht zum Allerheiligentag hatten Spezialisten der bereits das 1689 stillgelegte Silberbergwerk am Rautnerkogel in Stiwoll durchsucht. „Unter schwierigsten und gefährlichen Umständen“, sagt Polizeisprecher Jürgen Haas. Im Stollensystem gibt es Wasser, auch die Temperatur würde sich für einen Unterschlupf eignen, meint der Besitzer und Buschenschankbetreiber, der namentlich nicht genannt werden möchte. „Der Friedrich war am Freitag noch bei mir in der Buschenschank“, erzählt er, „der Gerhard (Opfer, Anm. d. Red.) am Samstag. Jetzt ist der eine tot, der andere auf der Flucht.“
Dass sich Friedrich F. das Leben genommen hat, glaubt in Stiwoll kaum jemand. „Der gibt nicht auf, der hat noch einige Rechnungen offen“, sind viele Ortsbewohner überzeugt.