Die Trauerarbeit eines Vaters und die Heilkraft der Musik
Mit Nick Cave geriet der Allerheiligenabend in der Wiener Stadthalle zu einer berührenden Seelenmesse.
Nick Cave & The Bad Seeds: „Skeleton Tree“.
Rough Trade.
messe, die – und das ist der große Triumph! – dennoch nicht zur Totenmesse gerät, weil Cave um die Macht der Musik und deren Heilkraft weiß.
Ein Melancholiker war Nick Cave (60) immer schon. Ein hochkreativer Meister in Moll, dessen Oeuvre eine Mischung aus Romantik, Moritat und alttestamentarischer Wortwucht ist. Doch jetzt hat er eine Intensität und Tiefe erreicht, die oft an die Schmerzgrenze führt. Die Narbenschau gerät jedoch nie zur Nabelschau, nie zum billigen Pathos. Immer wieder sucht Cave die Berührung des P ublikums; er scheint daraus eine Kraft zu ziehen, die ihm ein Weiter- und Überleben ermöglicht. Begleitet wird er von seinen Bad Seeds, jenen Qualitätsgaranten, die zwischen brachialen Klanggewittern und stilvoller Stille alle Soundsäfte aus ihren Instrumenten destillieren. Auch seine bekannten Großtaten hat Nick Cave im Reisekoffer. Frühe Klassiker wie „From Here to Eternity“und „Tupelo“, zeitlose Ewigkeitshymnen wie „The Ship Song“, „Into My Arms“oder „The Mercy Seat“, neu gefasste Diamanten wie „Jubilee Street“oder den „Higgs Boson Blues“. Die Lichtshow ist dezent, die Bilder auf den VideoWänden sind in Schwarz-weiß gehalten. Diese Musik braucht keine Verzierungen.
Bei den Zugaben holt sich Cave Dutzende Menschen aus dem P ublikum auf die Bühne. Die Mörderode „Stagger Lee“gerät zum kollektiven Taumel, zum Schluss erklingt der Song „P ush the Sky Away“. „Can You Feel My Heartbeat?“, fragt Cave. Ja, wir konnten ihn hören. Und unseren auch. Alles wird gut. Denn wenn man den Himmel wegschiebt, kann die Sonne leichter strahlen.