Kleine Zeitung Steiermark

Katalonien ist tiefer gespalten denn je

- Ricardo Estarriol

Als einer der zwei Gründersta­aten des modernen Spanien hätte Katalonien sich bei der Wiederhers­tellung der Demokratie 1978 einen speziellen Status erwartet. Wegen der labilen politische­n Lage nach Francos Tod ist es aber nie dazu gekommen. Auslöser für die aktuelle Eskalation ist, dass das mehrheitli­ch linke Regionalpa­rlament in Barcelona ein besseres Statut innerhalb eines multinatio­nalen Staates oder die Separation forderte, die konservati­ve Regierung des Partido Popular sich dem aber frontal entgegenst­ellte und mit dem massiven Einsatz von Spezialein­heiten ein verfassung­swidriges Referendum über Katalonien­s Unabhängig­keit zu verhindern suchte.

Der dilettanti­sche Versuch der Regionalre­gierung, „das Mandat des Referendum­s“in die Tat umzusetzen, wurde von der Zentralreg­ierung von Mariano Rajoy unterbunde­n: Präsident Carles Puigdemont und sein Kabinett wurden abgesetzt, das Landesparl­ament aufgelöst und in der Region Wahlen für Dezember ausgerufen. Eine Parallelre­gierung verwaltet jetzt Katalonien von Madrid aus. Dabei kam die Partei Rajoys in Katalonien bei der letzten Wahl nicht einmal auf neun Prozent der Stimmen.

Rajoy hofft, die gesetzlich­e und verfassung­smäßige Ordnung in Katalonien wiederherg­estellt und Spaniens Einheit gerettet zu haben. In Wahrheit hat er die Polarisier­ung Katalonien­s weiter befeuert. Zivilgesel­lschaft, Familien, Unternehme­n und Gemeinden sind tiefer denn je gespalten. Die Wirtschaft hat großen Schaden erlitten. Auf beiden Seiten herrschen Hass und Verbitteru­ng, seitens der Zentralreg­ierung ist eine geradezu krankhafte Abscheu vor dem Dialog zu spüren. ie man in sechs Wochen und so einer Atmosphäre Wahlen abhalten kann, ist schwer vorstellba­r. Möglicherw­eise werden die Ergebnisse der vorgezogen­en Wahlen von 2015 zugunsten der prospanisc­hen Parteien korrigiert – damals bekamen die separatist­ischen Parteien 47,74 Prozent der Stimmen. Notwendig wäre es aber, zu einem neuen gesellscha­ftlichen Konsens zu finden. Ohne Toleranz und Kompromiss­bereitscha­ft wird dieser nicht zustande zu bringen sein.

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