Kleine Zeitung Steiermark

Zwei Reformer und Politik in der Badehose

- Von Ernst Sittinger Die Krainers.

Herwig Höseles Buch über die Krainerdyn­astie glänzt mit Details, ohne indiskret zu sein. Und es enthält ungewöhnli­che Fotos bis hin zum Kanzler in Badehose.

eheliches Kind einer Bauernmagd zur Welt und wuchs unter ärmlichste­n Verhältnis­sen im Oberen Murtal auf. Höhere Bildung war ihm verwehrt, er arbeitete zunächst als Holzknecht. Doch Krainer war ein Autodidakt und Naturtalen­t. Schon mit 18 gründete er in Kobenz eine Ortsgruppe des Verbandes der christlich­en Landund Forstarbei­ter. Im Ständestaa­t machte er politische Karriere: 1936 wurde er Vizepräsid­ent der Landwirtsc­haftskamme­r und Präsident der Arbeiterka­mmer, 1937 Vizebürger­meister von Graz. nter Ns-herrschaft kam ihn dies teuer zu stehen. Krainer wurde mehrfach verhaftet, enteignet und als „wehrunwürd­ig“eingestuft. Er verbrachte die Kriegsjahr­e in Gasselsdor­f und wäre im März 1945 fast erschossen worden, wurde aber gewarnt und floh auf den Radlpass. Dass er dort Kontakt mit jugoslawis­chen

UPartisane­n hatte, spielte später kurz eine Rolle, als man ihn zum „Partisanen­seppl“stempeln wollte. Als Landeshaup­tmann ab 1948 gestaltete Krainer I. die Steirer-vp zur selbstbewu­ssten und oft unbequemen Landespart­ei.

1951 drängte er auf Ablöse von Bundeskanz­ler Figl und drohte mit Parteispal­tung. 1960 gründete er die Reformplat­tform „Neue Österreich­ische Gesellscha­ft“, worauf Kanzler Julius Raab gebrummt haben soll: „Die alte is’ ma lieber.“So setzte sich das fort, Krainer war mehrmals als Bundespart­eichef im Gespräch und nahm 1965 kurz ein Bundesrats­mandat an. Die ständige Unrast führte zur Entfremdun­g von Kanzler Alfons Gorbach, dem beharrende­n Steirer in Wien. Als Krainer 1971 bei der Jagd in Allerheili­gen starb, fand man bei ihm den berühmten Vermächtni­szettel: Friedrich Niederl solle Landeshaup­tmann werden. Wie Hösele schreibt, hatte Krainer den Zettel 1965 vor einer Operation verfasst. Viele Övpler wollten sofort den Übergang von Krainer Vater zu Sohn, doch der fühlte sich nicht bereit. Mit Niederl bildete er ein legendäres Führungsdu­o, bis er am 4. Juli 1980 selbst Regierungs­chef wurde. us der Regierungs­ära Krainer II zählt das Buch alle Höhen und Tiefen auf, vom „Modell Steiermark“über die Krise der verstaatli­chten Industrie bis zum Fall des Eisernen Vorhangs und dem Krieg an der slowenisch­en Grenze 1991. Den innenpolit­ischen Zenit datiert Hösele auf 1986, als die ÖVP gegen die Draken-stationier­ung mobilmacht­e und bei der Landtagswa­hl 393.650 Stimmen bekam – die Höchstmark­e in absoluten Zahlen. Danach ließen der Fpösiegesz­ug und die Krisen der Övp-bundespart­ei nur mehr wenig zu. Krainer verlegte sich auf die Außenpolit­ik. Das große Symposium zu Krainers 60. Geburtstag 1990 ist unvergesse­n.

Was bleibt von der demokratis­ch legitimier­ten „Dynastie“? Hösele betont Kultur, Wirtschaft, Forschung. Josef I. und Josef II. hätten beigetrage­n, schwierigs­te Probleme zu bewältigen und nachhaltig­e Entwicklun­gen einzuleite­n. Das ist im Grunde das Optimum dessen, was man von der Politik erwarten kann.

Leykam, 204 Seiten. 26,50 Euro, ab jetzt im Buchhandel

AAus dem Buch: Krainer II. mit Papst Johannes Paul II. in Mariazell, Krainer I. beim Baden mit Kanzler Klaus und mit Tito und dessen Gattin Jovanka

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