Paradise Papers: Was lernen wir aus den Enthüllungen?
Es ist wie nach dem Bekanntwerden der Panama Papers. Wir erleben jetzt, nach der Veröffentlichung von einem Teil der zwölf Millionen „gehackten“Dokumente der Paradise Papers, wieder, dass sich eine große Entrüstung breitmacht. Jeder verurteilt diese Praktiken und fordert Maßnahmen dagegen. Derartige Enthüllungen dokumentieren, dass es in erheblichem Umfang bei einigen Firmen und Einzelpersonen üblich zu sein scheint, ohne schlechtes Gewissen und mit wenig Sensibilität für gesellschaftspolitische Verantwortung keine oder ganz wenig Steuern zu entrichten; auf jeden Fall viel weniger als der Durchschnittsverdiener. Aber selbstverständlich wird auch von ihnen ein qualitativ hochstehendes Angebot an staatlich bereitgestellten Gütern und Dienstleistungen gefordert und auch jeden Tag genutzt! Sie sind somit Trittbrettfahrer, das heißt, sie profitieren von diesem Angebot, ohne dafür in ausreichendem Ausmaß zu bezahlen. Diese Haltung ist für den Zusammenhalt einer Gesellschaft oder Landes gefährlich und kann zu Radikalisierungen und Krisen führen.
Was ist geschehen? Wieder einmal wird öffentlich bekannt, dass viele Firmen, vermögende Einzelpersonen (auch aus Königshäusern!) sowie einzelne Politiker aus allen Teilen der Welt optimierte Strategien zur legalen Steuervermeidung anwenden. Also legale Aktivitäten, die in Anspruch genommen wurden und auch in Zukunft werden, solange es diese von unseren Regierungen geschaffenen gesetzlich legalen Möglichkeiten gibt. Die wenigsten Individuen zahlen freiwillig gerne Steuern.
Bei diesem Verhalten besteht ein großer Unterschied zur Steuerhinterziehung. Diese ist illegal und muss natürlich mit allen vorgesehenen Mitteln bekämpft werden. Auch hier könnte die internationale Zusammenarbeit noch verbessert werden, aber in diesem Bereich ist zumindest in der EU einiges geschehen. Leider gibt es häufig keine scharfe Abgrenzung zwischen legaler Steuervermeidung und illegaler Steuerhinterziehung, was die Problematik der effizienten Bekämpfung noch erschwert.
Hieraus ergeben sich zwei Fragen. Erstens: Was müsste getan werden, damit die legale Steuervermeidung stark eingeschränkt wird? Zweitens: Welche finanz- und gesellschaftspolitischen Herausforderungen ergeben sich aus dieser Situation? um ersten Punkt: Entscheidend wäre hier, dass beispielsweise in der G20ländergruppe steuerschonende Gesetze geändert werden. Zum Beispiel in dem Sinne, dass zumindest ein Teil der Wertschöpfung, die in den Ursprungsländern stattfindet, besteuert wird. Im ersten Schritt könnte man sich auf einen besteuerbaren Wertschöpfungsanteil zwischen 20 und 30 Prozent einigen. Der Steuersatz könnte zwischen 10 und 15 Prozent liegen. Dieser Anteil hängt natürlich davon ab, wie viele Länder sich in der Wertschöpfungskette befinden. Damit würden dann die Steuerzahler in diesen Ländern, in denen die Firmen produzieren oder Dienstleistungen erbringen, direkt von dem wirtschaftlichen Erfolg dieser Firmen teilweise profitieren. Wenn Länder, die Steueroasen haben, nicht mit
Zden nationalen Steuerbehörden kooperieren – was sie in den seltensten Fällen tun –, könnten die G20-länder oder die EU beschließen, sie vom Swift-system auszuschließen. Das Swiftsystem ermöglicht, dass schnell und effizient Überweisungen in die ganze Welt durchgeführt werden können. In diesem Fall könnten in diesen Ländern Banküberweisungen ins Ausland nicht mehr oder nur sehr mühsam über Umwege durch andere Länder durchgeführt werden. Dies stellt sicherlich einen starken Anreiz dar, zu kooperieren. eiterhin könnten international publik gemachte schwarze Listen von diesen Ländern erstellt werden. Kein Land und keine Regierung steht gerne auf einer derartigen Liste oder möchte zu
Wdieser Gruppe von Ländern gehören. Weiters können die G20länder oder Eu-staaten diese Gesetze abschaffen. Dies hat, wie immer bei solchen Maßnahmen, Gewinner (Österreich oder Deutschland) und Verlierer (Irland). Nur mit Zustimmung aller anderen Eu-länder könnten Irland, Malta oder Luxemburg derartige steuerschonende Praktiken einführen. Wenn man das ändern will und aufgrund des Einstimmigkeitserfordernisses die Zustimmung dieser Länder braucht, dann wird das nur möglich sein, wenn Kompensationsmöglichkeiten für diese Länder angeboten werden. Es bedarf also einer neuen Vereinbarung auf Euebene, wobei hier die österreichische Regierung mit dem Ratsvorsitz im zweiten Halbjahr 2018 aktiv werden könnte.