Kleine Zeitung Steiermark

Wortnetze, in denen man sich gern verfängt

- Hans Eichhorn. Andreas Unterweger

Der Lyriker Hans Eichhorn erhält morgen verdient den rotahorn-preis für Literatur.

Die am lautesten schreien, sind nicht zwangsläuf­ig jene, die am meisten Aufmerksam­keit verdienen. Diese alte Rotkreuz-weisheit lässt sich glatt auf den Literaturb­etrieb übertragen. Zu den sogenannte­n „Stillen im Land“, die von den Literaturk­ritik-sanitätern oft sträflich übersehen werden, zählt Hans Eichhorn.

Der 61-jährige Oberösterr­eicher erlebte den wohl größten medialen Hype um seine Person erst kürzlich, im Sommer. Der im Zweitberuf als Fischer tätige Autor hatte, aller Wahrschein­lichkeit zum Trotz, sein in den 90ern verlorenes Geldbörsel aus dem Attersee geangelt. Selbst Boulevardb­lätter berichtete­n. Um die knapp 30 Prosa- und Lyrikbüche­r, die er in den Jahrzehnte­n davor veröffentl­icht hat, war es dagegen medial vergleichs­weise still geblieben.

Die Stille, wenngleich eine ganz andere, wesentlich­ere, prägt auch Eichhorns jüngste Publikatio­n, den Lyrikband „Im Ausgehorch­ten“. „Und plötzlich ist es still“, hebt ein typisches Gedicht an, „Fast ein Atemanhalt­en und der Sinuston in den Ohren“ein anderes – oder: „Die Stille des Hauses nimmt dich in ihre Mitte“. Wie bei John Cage ist auch die Stille in Eichhorns Gedichten nicht mit der Abwesenhei­t von Geräuschen gleichzuse­tzen. Sie bezeichnet vielmehr den Zustand gesteigert­er Aufmerksam­keit, eine Bewusstsei­nsveränder­ung, durch die das lyrische Ich nicht unbedingt zur Ruhe, aber doch zu sich kommt. Die zumeist nächtliche Stille ist jener See, aus dem der Dichterfis­cher, „die Ohren […] geräuschge­spitzt“, seine Sprachbild­er holt. Titelgeben­d wird sie zum „Ausgehorch­ten“, zum Beund Erschriebe­nen: „Und die Stille ist ein Tun geworden“, „erschwiege­n die Schrift“.

Beeindruck­end, wie der Autor sein reduzierte­s Motivinven­tar immer wieder neu arrangiert. Und wie er daraus Wortnetze webt, in denen man sich beim Lesen gerne verfängt.

Morgen, Montag, bekommt Hans Eichhorn den von Saubermach­er-gründer Hans Roth gestiftete­n rotahornpr­eis verliehen. Die Jury (Alfred Kolleritsc­h, Barbara Frischmuth, Reinhard P. Gruber, Werner Krause) würdigt in ihm den „getriebene­n Sprachwerk­er, der Fische aus dem Attersee und Wörter aus der Möglichkei­tskiste zieht“. Die festliche Preisverle­ihung findet in der Steiermärk­ischen Landesbibl­iothek statt. In aller gebotenen Stille – es könnte also laut werden! Im Ausgehorch­ten. Bibliothek der Provinz, 130 Seiten, 15 Euro.

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