Wortnetze, in denen man sich gern verfängt
Der Lyriker Hans Eichhorn erhält morgen verdient den rotahorn-preis für Literatur.
Die am lautesten schreien, sind nicht zwangsläufig jene, die am meisten Aufmerksamkeit verdienen. Diese alte Rotkreuz-weisheit lässt sich glatt auf den Literaturbetrieb übertragen. Zu den sogenannten „Stillen im Land“, die von den Literaturkritik-sanitätern oft sträflich übersehen werden, zählt Hans Eichhorn.
Der 61-jährige Oberösterreicher erlebte den wohl größten medialen Hype um seine Person erst kürzlich, im Sommer. Der im Zweitberuf als Fischer tätige Autor hatte, aller Wahrscheinlichkeit zum Trotz, sein in den 90ern verlorenes Geldbörsel aus dem Attersee geangelt. Selbst Boulevardblätter berichteten. Um die knapp 30 Prosa- und Lyrikbücher, die er in den Jahrzehnten davor veröffentlicht hat, war es dagegen medial vergleichsweise still geblieben.
Die Stille, wenngleich eine ganz andere, wesentlichere, prägt auch Eichhorns jüngste Publikation, den Lyrikband „Im Ausgehorchten“. „Und plötzlich ist es still“, hebt ein typisches Gedicht an, „Fast ein Atemanhalten und der Sinuston in den Ohren“ein anderes – oder: „Die Stille des Hauses nimmt dich in ihre Mitte“. Wie bei John Cage ist auch die Stille in Eichhorns Gedichten nicht mit der Abwesenheit von Geräuschen gleichzusetzen. Sie bezeichnet vielmehr den Zustand gesteigerter Aufmerksamkeit, eine Bewusstseinsveränderung, durch die das lyrische Ich nicht unbedingt zur Ruhe, aber doch zu sich kommt. Die zumeist nächtliche Stille ist jener See, aus dem der Dichterfischer, „die Ohren […] geräuschgespitzt“, seine Sprachbilder holt. Titelgebend wird sie zum „Ausgehorchten“, zum Beund Erschriebenen: „Und die Stille ist ein Tun geworden“, „erschwiegen die Schrift“.
Beeindruckend, wie der Autor sein reduziertes Motivinventar immer wieder neu arrangiert. Und wie er daraus Wortnetze webt, in denen man sich beim Lesen gerne verfängt.
Morgen, Montag, bekommt Hans Eichhorn den von Saubermacher-gründer Hans Roth gestifteten rotahornpreis verliehen. Die Jury (Alfred Kolleritsch, Barbara Frischmuth, Reinhard P. Gruber, Werner Krause) würdigt in ihm den „getriebenen Sprachwerker, der Fische aus dem Attersee und Wörter aus der Möglichkeitskiste zieht“. Die festliche Preisverleihung findet in der Steiermärkischen Landesbibliothek statt. In aller gebotenen Stille – es könnte also laut werden! Im Ausgehorchten. Bibliothek der Provinz, 130 Seiten, 15 Euro.