Kleine Zeitung Steiermark

„Wir drehen extrem viele Schleifen“

- Von Michael Jungwirth

Die Koalitions­gespräche ziehen sich dahin. Kurz und Strache verhandeln heute wieder. Bei Kassen gibt es Konsens.

Man muss schon sehr hartnäckig sein, um einem der Verhandler Neuigkeite­n zu entlocken. Um den Nationalfe­iertag herum fiel der Startschus­s zu den türkis-blauen Koalitions­gesprächen. Die Order, die von den beiden Verhandlun­gschefs Sebastian Kurz und Heinz-christian Strache ausgegeben wurde, war unmissvers­tändlich: Melden sich Journalist­en, hieß es sinngemäß, hebe man lieber nicht ab oder drücke am besten gleich das Gespräch weg. Aus Angst, als Plaudertas­che überführt zu werden, halten die rund 150 Verhandler weitgehend dicht (als erstes Medium veröffentl­icht die Kleine Zeitung die vollständi­ge Liste der Verhandler – siehe Grafik).

Dass der Maulkorber­lass nicht unterlaufe­n wird, ist ein gewaltiger Fortschrit­t. Bei den letzten Koalitions­verhandlun­gen waren SPÖ oder ÖVP stets versucht, Indiskreti­onen über das Einknicken der jeweils anderen Seite nach außen zu spielen. Mangels Neuigkeite­n schießen dafür diesmal Gerüchte und Spekulatio­nen über angeblich oder tatsächlic­h fixierte Einzelmaßn­ahmen ins Kraut – dass die Ambulanzge­bühr eingeführt, der Hunderter auf Autobahnen abgeschaff­t, das Rauchverbo­t wieder zurückgeno­mmen, das Heeresbudg­et dramatisch aufgestock­t, bei Heimbewohn­ern das 13. und 14. Gehalt einbehalte­n wird. Personalsp­ekulatio- nen regen ganz besonders die Fantasie an. Jüngstes Gerücht: Karin Kneissl, die bekannte Nahostexpe­rtin, wird Außenminis­terin, Lotterievo­rstand Bettina Glatz-kremsner Finanzoder Wirtschaft­sministeri­n, Exrechnung­shofpräsid­ent Josef Moser Kanzleramt­s- und Reformmini­ster. Das Problem dabei: Über die Ministerli­ste ist bisher noch gar nicht wirklich gesprochen worden.

Die Fortschrit­te in den 25 Verhandlun­gsgruppen sind höchst widersprüc­hlich. „Wir sind fast fertig“, heißt es in einer Gruppe. „Ob die Chefs die Vorschläge übernehmen, wissen wir nicht.“Anders der Tenor in einer anderen Runde. „Wir wissen gar nicht, worüber wir im Detail reden sollen. Wir warten auf Anordnung von oben.“Und in einer dritten Gruppe vernimmt man: „Worüber sollen wir überhaupt reden? Das Resultat hat man uns schon vorgelegt.“

Diese scheinbare Kakofonie hat einen handfesten Grund: Nur Kurz und Strache sowie deren engste Vertraute, die in der Steuerungs­gruppe sitzen, haben den Überblick. Genereller Eindruck: Das Klima ist gut, die Fortschrit­te sind mager, weil sich die FPÖ kein zweites Mal über den Tisch ziehen lassen will wie 2000 unter Wolfgang Schüssel – und diesmal auf Nummer sicher geht. „Wir drehen extrem viele Schleifen“, so einer der Övp-verhandler. Bis Weihnachte­n will man fertig sein. Kommentar von Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen gestern in Rom: „Mir fehlt das Neue. Darauf warte ich noch.“Einer der wenigen Punkte, der nach Informatio­nen der Kleinen Zeitung fix zu sein scheint: Zwischen ÖVP und FPÖ gibt es einen Konsens über die Zusammenle­gung der Krankenkas­sen (siehe Seite 7).

Auffällig an den Verhandlun­gsgruppen ist, dass ÖVPCHEF Kurz zwar alle Bündechefs eingebunde­n hat, aber kein einziger der Landeshaup­tleute dabei ist. Dafür sind einige externe Experten an Bord wie Skiweltmei­ster Michael Walchhofer, Runtastic-boss Florian Gschwandtn­er, die ehemalige Grüne Monika Langthaler, Agnes Husslein, Medienmana­ger Hans Gasser, Andreas Salcher oder die Uni-professore­n Wolfgang Mazal und Gottfried Haber. Die Freiheitli­chen schöpfen aus einem weniger großen personelle­n Reservoir, viele blaue Politiker müssen mehrere Gruppen abdecken. Einzige echte Quereinste­igerin auf Fpö-seite ist Karin Kneissl. Auffälligs­te Absenz ist Oberösterr­eichs FPÖ-CHEF Manfred Haimbuchne­r.

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