„Davon könnten wir Politiker etwas lernen“
Bundespräsident Van der Bellen besucht den Papst und andere Christen.
Nirgendwo wird das Protokoll länger hochgehalten als in den Hallen und Wandelgängen des Vatikans. In zwei Jahrtausenden haben Männer hier aus Erfahrung und Fehlschlägen geschliffene Umgangsformen mit Mächtigen entwickelt, eine Mischung aus Präzision und Gelassenheit. Disziplinlose Gäste werden sacht, aber bestimmt auf den rechten Weg zurückgeleitet. Die Entourage, insbesondere Journalisten, schleust man durch schmale, dunkle Verbindungsgänge an ihren Bestimmungsort, zwischen den Terminen verbirgt sie das Protokoll im kaum beleuchteten Kämmerlein. Der Blick des wichtigen Gasts trifft auf diese Weise nie auf Störendes.
Als der Konvoi des Präsidenten im Damasushof einfährt, stehen die Schweizergardisten schon stramm. Diskretes Personal hat die Delegation schon im Lift hinaufgeschafft. Doris Schmidauer, die Präsidentengattin, steigt ohne den sonst bei diesem Anlass üblichen Schleier aus dem Auto. „Wir haben angefragt“, erzählt Alexander Van der Bellen später. „Bei diesem Papst sei das nicht notwendig“, habe man ihm beschieden.
Franziskus tritt aus seinem Arbeitszimmer, holt den Gast ab und geleitet ihn zu seinem „Ich brauche leider einen Dolmetscher“, sagt Franziskus, ehe er sich helfen lässt. Ein Blick noch auf die beiden Männer, dann ist die Öffentlichkeit wieder draußen.
Zwanzig Minuten bleiben die beiden Männer allein, ehe die Delegation hereindarf. Auch André Heller stellt der Präsident vor, er war ein wichtiger Unterstützer seiner Kampagne. Es gibt Geschenke. Eine schlichte Holzkiste mit Brot aus dem Kaunertal hat Van der Bellen mitgebracht. „Das sollten wir jetzt herausnehmen und brechen“, sagt Franziskus, lässt es aber dabei bewenden, zum Leidwesen der Fotografen. Für den Präsidenten gibt es eine Papst-medaille mit Friedenstaube, dazu die drei Enzykliken des Papstes auf Deutsch.
Dass sie beide aus Migrantenfamilien stammen, habe ihn mit seinem Gastgeber in Weiß verbunden, erzählt der Präsident später, und dass ihnen beiden Gewaltfreiheit am Herzen liege. Nach dem Gespräch versucht Van der Bellen, die Gründe für die Faszination zu beschreiben, die Franziskus auf ihn ausübt. „Ich war vor allem davon beeindruckt, w i e er redet. Davon können wir Politiker etwas lernen.“Franziskus spreche nicht nur den Intellekt an. „Er sucht Formulierungen, die Bilder schaffen, die direkt ins Herz gehen“, sagt Van der Bellen im von Österreichern geleiteten Kolleg Santa Maria dell’anima im Herzen Roms. „Das vermittelt eine Spiritualität, die man vermisst hat über die Jahre und Jahrzehnte.“Als Ökonom, erzählt Van der Bellen, habe er gelernt, sich möglichst präzise auszudrücken. Auch die Grünen hätten oft diesen nüchternen Sprachduktus gepflegt. Er finde zum Beispiel das Wort Umweltschutz viel technokratischer als die Rede von der Bewahrung der Schöpfung. „Die Katholiken waren uns da hundert Jahre voraus.“
Ob er den Papst eingeladen habe? „Ja natürlich.“Aber desschreibtisch. sen Neigung, in Länder zu reisen, wo es brennt und er vielleicht etwas zum Besseren wenden könnte, mache einen Besuch bei uns unwahrscheinlich, fürchtet Van der Bellen. „Bei uns brennt nichts.“Dem Land gehe es sozial und ökonomisch im Prinzip gut. om Papst zieht der Tross weiter zu den Amtsräumen des Kardinalstaatssekretärs. Pietro Parolin ist quasi der Außenminister des Vatikanstaats. Mit ihm habe er politisch geredet, über Afrika und die gemeinsame Sorge über das politische Vakuum, das sich in Bosnien-herzegowina abzeichne. Türkische und arabische Kräfte könnten es füllen, „das
V