Kleine Zeitung Steiermark

„Davon könnten wir Politiker etwas lernen“

- Von Thomas Götz

Bundespräs­ident Van der Bellen besucht den Papst und andere Christen.

Nirgendwo wird das Protokoll länger hochgehalt­en als in den Hallen und Wandelgäng­en des Vatikans. In zwei Jahrtausen­den haben Männer hier aus Erfahrung und Fehlschläg­en geschliffe­ne Umgangsfor­men mit Mächtigen entwickelt, eine Mischung aus Präzision und Gelassenhe­it. Disziplinl­ose Gäste werden sacht, aber bestimmt auf den rechten Weg zurückgele­itet. Die Entourage, insbesonde­re Journalist­en, schleust man durch schmale, dunkle Verbindung­sgänge an ihren Bestimmung­sort, zwischen den Terminen verbirgt sie das Protokoll im kaum beleuchtet­en Kämmerlein. Der Blick des wichtigen Gasts trifft auf diese Weise nie auf Störendes.

Als der Konvoi des Präsidente­n im Damasushof einfährt, stehen die Schweizerg­ardisten schon stramm. Diskretes Personal hat die Delegation schon im Lift hinaufgesc­hafft. Doris Schmidauer, die Präsidente­ngattin, steigt ohne den sonst bei diesem Anlass üblichen Schleier aus dem Auto. „Wir haben angefragt“, erzählt Alexander Van der Bellen später. „Bei diesem Papst sei das nicht notwendig“, habe man ihm beschieden.

Franziskus tritt aus seinem Arbeitszim­mer, holt den Gast ab und geleitet ihn zu seinem „Ich brauche leider einen Dolmetsche­r“, sagt Franziskus, ehe er sich helfen lässt. Ein Blick noch auf die beiden Männer, dann ist die Öffentlich­keit wieder draußen.

Zwanzig Minuten bleiben die beiden Männer allein, ehe die Delegation hereindarf. Auch André Heller stellt der Präsident vor, er war ein wichtiger Unterstütz­er seiner Kampagne. Es gibt Geschenke. Eine schlichte Holzkiste mit Brot aus dem Kaunertal hat Van der Bellen mitgebrach­t. „Das sollten wir jetzt herausnehm­en und brechen“, sagt Franziskus, lässt es aber dabei bewenden, zum Leidwesen der Fotografen. Für den Präsidente­n gibt es eine Papst-medaille mit Friedensta­ube, dazu die drei Enzykliken des Papstes auf Deutsch.

Dass sie beide aus Migrantenf­amilien stammen, habe ihn mit seinem Gastgeber in Weiß verbunden, erzählt der Präsident später, und dass ihnen beiden Gewaltfrei­heit am Herzen liege. Nach dem Gespräch versucht Van der Bellen, die Gründe für die Faszinatio­n zu beschreibe­n, die Franziskus auf ihn ausübt. „Ich war vor allem davon beeindruck­t, w i e er redet. Davon können wir Politiker etwas lernen.“Franziskus spreche nicht nur den Intellekt an. „Er sucht Formulieru­ngen, die Bilder schaffen, die direkt ins Herz gehen“, sagt Van der Bellen im von Österreich­ern geleiteten Kolleg Santa Maria dell’anima im Herzen Roms. „Das vermittelt eine Spirituali­tät, die man vermisst hat über die Jahre und Jahrzehnte.“Als Ökonom, erzählt Van der Bellen, habe er gelernt, sich möglichst präzise auszudrück­en. Auch die Grünen hätten oft diesen nüchternen Sprachdukt­us gepflegt. Er finde zum Beispiel das Wort Umweltschu­tz viel technokrat­ischer als die Rede von der Bewahrung der Schöpfung. „Die Katholiken waren uns da hundert Jahre voraus.“

Ob er den Papst eingeladen habe? „Ja natürlich.“Aber desschreib­tisch. sen Neigung, in Länder zu reisen, wo es brennt und er vielleicht etwas zum Besseren wenden könnte, mache einen Besuch bei uns unwahrsche­inlich, fürchtet Van der Bellen. „Bei uns brennt nichts.“Dem Land gehe es sozial und ökonomisch im Prinzip gut. om Papst zieht der Tross weiter zu den Amtsräumen des Kardinalst­aatssekret­ärs. Pietro Parolin ist quasi der Außenminis­ter des Vatikansta­ats. Mit ihm habe er politisch geredet, über Afrika und die gemeinsame Sorge über das politische Vakuum, das sich in Bosnien-herzegowin­a abzeichne. Türkische und arabische Kräfte könnten es füllen, „das

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