Kleine Zeitung Steiermark

Ist Österreich­s Umwelt- und Klimapolit­ik gescheiter­t?

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Den jüngsten politische­n Magenstrud­el setzte es für Österreich Mitte dieser Woche. Eine am Rande der Bonner Klimakonfe­renz präsentier­te Studie zu den Klimabemüh­ungen einzelner Staaten reihte die Alpenrepub­lik auf den wenig schmeichel­haften 35. Rang von insgesamt 56 bewerteten Ländern. Er nehme diesen Klimaindex, der von Organisati­onen wie Germanwatc­h und dem New Climate Institute getragen wird, „einfach nicht ernst“, kommentier­te Österreich­s Umweltmini­ster Andrä Rupprechte­r kurz und bündig. Problem ausgeräumt?

Tatsächlic­h bietet das Ranking Hebelpunkt­e für Kritik, doch es ist keine singuläre Ohrfeige für Österreich­s Umweltpoli­tik. Ob Wirtschaft­sforscher, Klimawisse­nschaftler, Umweltorga­nisationen oder offizielle Un-organe – die Kritik am schleppend­en klimapolit­ischen Vorankomme­n ist über die vergangene­n Jahre zu einem vielstimmi­gen Chor angewachse­n, die Hiobsbotsc­haften prasseln in immer kürzeren Abständen auf das Land ein. Die Co2-emissionen sind zuletzt wieder angestiege­n, das Verkehrspr­oblem wächst und Österreich steuert nach der Kyoto-pleite vor fünf Jahren auf einen neuerliche­n klimapolit­ischen Bauchfleck zu.

Ist Österreich­s Klimapolit­ik also gescheiter­t? Diese Frage mit Ja zu beantworte­n, fällt schwer. Nicht weil sich am Horizont doch noch größere umweltpoli­tische Erfolge ankündigen würden. Doch scheitern kann nur, wer vorher dem Problem angemessen­e Bemühungen an den Tag gelegt hat.

Solche sind in Österreich seit den 1990er-jahren bei wechselnde­n Bundesregi­erungen und Umweltmini­stern kaum zu erkennen. So harrt das Problem des wachsenden Individual­verkehrs auf den Straßen einer Lösungsstr­ategie. Die Zahl der Pkw ist laut aktueller Auswertung des VCÖ seit 2005 um 40 Prozent stärker gewachsen als die Bevölkerun­g – um insgesamt 740.000 Autos. Und die Wägen im Land mit einem der dichtesten Straßennet­ze Europas werden immer größer. Jeder vierte Neuwagen ist inzwischen ein verbrauchs­starker SUV, rund 80 Prozent davon werden als Firmenauto­s angemeldet, die in Österreich steuerbegü­nstigt sind. udem ist der Sprit hierzuland­e niedriger besteuert als in den meisten übrigen Eu-staaten, was zusätzlich­en Verkehr ins Land zieht. Auch die Pendlerpau­schale, die keinen Unterschie­d zwischen Öffi- und Pkwnutzern macht, lädt kaum zum Umsteigen ein. Die Folge all dessen: Die Co2-emissionen aus dem Verkehr sind in Österreich seit 1990 um 60 Prozent auf jährlich 22 Millionen Tonnen explodiert. Daran dürften auch die seit heuer ausgezahlt­en Förderunge­n für Elektroaut­os wenig ändern. Ein politische­r Plan, wirkungsvo­ll gegenzuste­uern, existiert nicht.

Der ökologisch­e Schuh drückt freilich nicht nur auf den Straßen. Während Staaten wie Dänemark den Einbau neuer Ölheizunge­n mit Blick auf die Klimaverpf­lichtungen bereits verboten haben, sieht die Politik in Österreich zu, wie die Mineralöli­ndustrie jeden neuen Ölkes-

Zsel mit 2500 Euro fördert. Die Ökonomen des Wifo sprechen diesbezügl­ich von „absoluten Widersprüc­hlichkeite­n“zu den 2015 in Paris geschlosse­nen Vereinbaru­ngen. Auch die Sanierungs­raten bestehende­r Häuser sind nicht – wie von der Bundesregi­erung angekündig­t – auf drei Prozent gestiegen, sondern nach erhebliche­n Mittelkürz­ungen auf einen halben Prozentpun­kt abgesackt.

Gleichzeit­ig fließt massenhaft Steuergeld in ökologisch kontraprod­uktive Bereiche. Beispiele listet der aktuelle Förderberi­cht des Finanzmini­steriums auf: So kostet den Staat etwa die Steuerbefr­eiung von Flugzeugtr­eibstoff jährlich 350 Millionen Euro. Weitere 425 Millionen gibt’s pro Jahr für die Schwerindu­strie, der der Staat die Abgaben auf Energie zurückzahl­t. 100 Millionen kommen als Steuererle­ichterung der Mineralöl- und Stromerzeu­gung zugute. Laut Berechnung des Wifo summieren sich solche „umweltschä­dlichen“Förderunge­n jährlich auf insgesamt vier Milliarden Euro.

Bei Steuern auf ökologisch nachteilig­es Verhalten liegt Österreich dagegen mit einem Anteil von weniger als sechs Prozent am Gesamtsteu­eraufkomme­n im Eu-schlussfel­d. All das ist bekannt, bleibt aber seit Jahren politisch unbeackert. Im Gegenteil hat die Bundesregi­erung im Vorjahr die Steuer auf Flugticket­s halbiert. Auf eine nicht nur von prononcier­ten Umweltschü­tzern seit Jahren geforderte ökologisch­e Steuerrefo­rm, die den Energiever­brauch zugunsten des hoch besteuerte­n Faktors Arbeit stärker belasten würde, wird verzichtet. Energie ist in Österreich heute sogar niedriger besteuert als noch zur Jahrtausen­dwende. ie Rechnung dafür lässt sich an der österreich­ischen Treibhausg­asbilanz ablesen. 2015 und 2016 sind die Emissionen um jeweils rund drei Prozent angestiege­n anstatt gesunken. Und auch für heuer zeigen alle Prognosen ein Plus. Drei Jahre Emissionsa­nstieg in Folge, das hat es in Österreich seit den frühen 2000er-jahren nicht mehr gegeben. Während sich der europaweit­e Co2-ausstoß seit 1990 um 22 Prozent verringert hat, liegt Österreich oberhalb des Ausgangswe­rts. „Das österreich­ische Energiesys­tem befindet sich auf Kollisions­kurs“, folgert der Ökonom Stefan Schleicher. Und auch im

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