Digitale Kontrolle hat Orwell längst überholt
Der Dramatisierung von George Orwells dystopischem Roman „1984“fehlen die stringenten beklemmenden Bilder.
Nachdem der Whistleblower Edward Snowden vor gut vier Jahren die flächendeckende Überwachung von Internet- und Telefondaten durch den Us-amerikanischen Geheimdienst NSA publik machte, schossen die Verkaufszahlen von George Orwells Roman „1984“in die Höhe. Was Orwell vor nicht ganz 70 Jahren als Alltag einer allumfassenden Diktatur schilderte, erscheint angesichts der technologischen Entwicklungen fast wie eine Untertreibung. Sein Schreckensszenario ausgedrückt durch die Begriffe Gedankenverbrechen, Geschichtsklitterung, Neusprech, Überwachung durch Telescreens etc. erreicht längst nicht jene Brisanz, die wir durch freiwillige Datenpreisgabe mit dem Gebrauch von Kreditkarten und Smartphones bereits geschaffen haben.
Wer nun eine Dramatisierung von Orwells Roman auf die Bühne bringt, braucht in Zeiten von Big Data starke und stringente Bilder, um der heutigen Überwachungsund Kontrollrealität gerecht zu werden. Das Einbeziehen von Donald Trumps „alternativen Fakten“beispielsweise über die Publikumszahl bei seiner Angelobung sorgt für erhöhtes Spaßaufkommen, bringt aber keine inhaltliche Tiefe. Gelogen wurde in der Politik immer schon.
Regisseur Hermann Schmidt-rahmer lässt die Szenenfolge mit den Verweisen auf Orwells Roman (Einblendung von „Freedom“, „Ministerium der Liebe“, „Emmanuel Goldstein“etc.) mit Zitierung der neuesten nordkoreanischen Haar- und Kleidungsmode beginnen, um dann mit der einzig beklemmenden Szene zu enden, in der Winston (Rainer Galke, überzeugend neben Katharina Klar, Steffi Krautz, Birgit Stöger) Linsen in die Augen gedrückt werden.
1984. Volkstheater Wien. 22., 29. November, 3., 7., 8., 14., 16. Dezember. Karten: Tel. (01) 52111 400. www.volkstheater.at Regisseur H. Schmidt-rahmer Volkstheater-ensemble als Kim-jong-un-klone