Das Hauen und Stechen um das Erbe der Briten
Zwei europäische Agenturen müssen aus London abziehen. Österreich hat sich um beide beworben. Heute fällt die Entscheidung.
Wer wünscht sich das nicht: 25 Jahre lang nur einen Euro Miete im Jahr zu zahlen und das für 900 Mitarbeiter, für deren Konferenzräume und alles, was sie sonst noch zum gedeihlichen Arbeiten brauchen? Die Vorteile müssen enorm sein, die sich Österreich ausrechnet, sollte die Europäische Arzneimittel-agentur (EMA) aus London nach Wien umziehen, andernfalls hätte man dieses Angebot kaum unterbreitet.
Tatsächlich ging dem Angebot intensives Rechnen voraus. 39.000 zusätzliche Übernachtungen verzeichnete London im Vorjahr allein wegen der EMA. Außerdem bringen 900 gut bezahlte Mitarbeiter nicht nur ihre Familien, sondern auch einiges an Kaufkraft mit.
„Die EMA würde einen jährlichen Beitrag zum Bruttoinlandsprodukt von 203 Millionen Euro leisten“, ließ Finanzminister Hans Jörg Schelling berechnen. Die viel kleinere Europäische Bankenaufsicht (EBA), um die sich Wien ebenfalls beworben hat, würde das BIP immerhin noch um
39,7 Millionen Euro im
Jahr steigern. Die Schaffung von 2000 Arbeitsplätzen durch die Ansiedlung der
EMA und die 400 Arbeitsplätze rund um die EBA sind ein weiterer Anreiz für Schelling, sich für deren Umzug nach Wien einzusetzen.
Der Finanzminister wird bei der heutigen Ratssitzung der 27 nach dem Ausscheiden Großbritanniens verbliebenen Außen- und Europaminister Sebastian Kurz vertreten, der in Wien mit Koalitionsverhandlungen beschäftigt ist. Schärfste Konkurrenten für Wien unter den 19 Bewerbern für die EMA sind Bratislava und Mailand. Die Slowakei ist unter den fünf Eu-ländern ohne Eu-agentur das wirtschaftlich stärkste. Für Mailand spricht nicht nur, dass die EMA seit 2011 vom Italiener Guido Rasi geführt wird, sondern auch die Größe und internationale Anbindung der Stadt.
Wien bietet der EMA Räume im neuen Austria-campus beim Praterstern oder in der Seestadt an, die EBA könnte an der Linken Wienzeile nagelneue Quartiere beziehen. Entscheidet mit: Hans Jörg Schelling