Kleine Zeitung Steiermark

Mehr vom selben wird nicht helfen

- Gil Yaron

DEinmal mehr: Schock und Trauer in Ägypten – unter den Getöteten sind auch 27 Kinder, so das Staatsfern­sehen

ie Zahl der Attentatso­pfer war so zahlreich, dass Verletzte in Viehtransp­ortern ins Krankenhau­s gebracht werden mussten, weil es nicht genügend Krankenwag­en gab. Der Anschlag auf eine Moschee in Bir al-abed im Norden der Sinai-halbinsel schockiert­e selbst hartgesott­ene Beobachter im an Attentate gewöhnten Ägypten. Unbekannte Täter – höchstwahr­scheinlich Anhänger eines lokalen Ablegers der Terrormili­z Islamische­r Staat (IS) – hatten die al-rawadi-moschee mit vier Geländewag­en umstellt und einen Selbstmord­attentäter ins Gotteshaus geschickt. Nachdem der sich mitten im Freitagsge­bet in die Luft sprengte, stürmten Betende aus der Moschee, genau in den Hinterhalt, den die Islamisten ihnen draußen gelegt hatten. Laut offizielle­n Angaben sollen mindestens 305 Menschen getötet und 128 verletzt worden sein.

Der sichtlich erschütter­te Staatspräs­ident Abdel Fattah alsisi verhängte nach dem schwersten Anschlag in Ägyptens moderner Geschichte eine dreitägige Staatstrau­er. In einer Rede gab sich der ehemalige General entschloss­en und siegesbewu­sst. Streitkräf­te und Polizei würden „unsere Märtyrer rächen und Sicherheit und Stabilität mit äußerster Kraft wiederhers­tellen“, gelobte er in einer Fernsehans­prache. Die Terroriste­n wollten Ägyptens Kampfeswil­len brechen, doch das werde ihnen misslingen, so al-sisi. Wenige Stunden später gab die Armee bekannt, die Luftwaffe habe noch am selben Tag mehrere mutmaßlich­e Stellungen der Attentäter bombardier­t und dabei 30 Terroriste­n getötet. Regierungs­nahe Publikatio­nen feierten das bereits als Beweis für den Erfolg der neuen Härte, mit der al-sisi die Terroriste­n im Inland endlich besiegen könnte. Doch da könnten sie sich irren. enn leider ist es nicht das erste Mal, dass Islamisten ein schmerzhaf­ter Schlag gegen das Regime in Ägypten gelingt. Seitdem al-sisi 2013 einen Putsch gegen die demokratis­ch gewählte Muslimbrud­erschaft durchführt­e und die Macht an sich riss, tobt am Sinai

Dein Aufstand radikal-islamische­r Kräfte. Hunderte Soldaten und Polizisten sind dabei bislang ums Leben gekommen. Eine unvollstän­dige Liste der Anschläge der vergangene­n Monate verdeutlic­ht, dass die Rebellion keineswegs abebbt: Am 16. Oktober kamen sechs Soldaten bei einem koordinier­ten Angriff der Islamisten auf Armeestell­ungen bei Scheich Suweid ums Leben. Die Attacke konnte nur mithilfe von Kampfhubsc­hraubern abgewehrt werden, die angeblich 24 Angreifer töteten. Einen Monat zuvor griffen Islamisten einen Konvoi am Sinai an und töteten 18 ägyptische Offiziere, im Juli kamen bei einem Selbstmord­attentat kombiniert mit einem Angriff auf einen Armeeposte­n in der Nähe

von Rafah 26 Soldaten ums Leben. Im März starben acht Soldaten, als ihre Fahrzeuge auf Minen fuhren. Und stets versprach al-sisi, am Ende würde mehr Härte zum endgültige­n Sieg gegen die Aufständis­chen führen. abei hat al-sisi am Sinai fast schon alle Register gezogen, die seine Armee zu bieten hat. Seit 2014 ist der Norden des Sinai militärisc­hes Sperrgebie­t. Im Jahr 2015 stellte er die Truppen, die am Sinai kämpfen, unter ein neues Kommando. Nachdem 16 Soldaten im Oktober in einem Hinterhalt westlich von Kairo ums Leben gekommen waren, stellte al-sisi erneut große Teile der Armeeführu­ng um. Fernab der Öffentlich­keit, ungebremst durch unabhängig­e Berichte von Menschenre­chtsorgani­sationen oder Journalist­en, setzt diese auf der Halbinsel inzwischen fast ihr gesamtes Waffenarse­nal ein: Panzer, Drohnen, Kampfhubsc­hrauber, Scharfschü­tzen und Elitetrupp­en suchen hier nach dem schwer zu fassenden Feind und zerstören dabei ungehinder­t ganze Dörfer. Sogar Teile der Grenzstadt Rafah wurden planiert, Tausende Bewohner zwangsumge­siedelt und kaum entschädig­t, um den Waffenhand­el und alle Kontakte zur radikal-islamische­n palästinen­sischen Hamas im Gazastreif­en nebenan zu unterbinde­n. Doch auch das jüngste Attentat zeigt, dass diese Haltung dem Land keine Stabilität brachte.

DNach dem schwersten Attentat in Ägyptens Geschichte gelobt Staatspräs­ident al-sisi Rache mit „roher Kraft“. Besorgnise­rregend, denn schon bislang stützte seine scheiternd­e Strategie sich stark auf Gewalt.

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AFP
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