Tabakindustrie muss „Lügen“richtigstellen
In den USA müssen Tabakkonzerne nun für groß angelegte Kampagnen gegen das Rauchen von Zigaretten zahlen.
Rauchen tötet im Schnitt 1200 Amerikaner – täglich“, heißt es in den schlichten Anzeigen mit schwarzer Schrift auf weißem Grund. „Mehr Menschen sterben pro Jahr an den Folgen des Rauchens als durch Mord, Aids, Suizid, Drogen, Autounfälle und Alkoholkonsum zusammen.“
Diese Anzeigen werden nicht freiwillig geschaltet. Der Hintergrund: Ein Gericht hat R. J. Reynolds Tobacco, Philip Morris USA, Altria und Lorillard dazu verpflichtet, eine Erklärung zu den gesundheitlichen Folgen des Rauchens abzugeben. Das Urteil fiel bereits vor elf Jahren. Richterin Gladys Kessler hatte 2006 entschieden, dass die Tabakkonzerne das Gesetz brachen, indem sie jahrzehntelang über die Gefahren des Rauchens gelogen hatten.
Sie ordnete eine Gegendarstellung an. Über die genaue Wortwahl stritten die Anwälte beider Seiten jahrelang. Tabakkonzerne argumentierten da- mals, dass die vorgeschlagenen Formulierungen „erzwungene Geständnisse“zum Zweck der „Erniedrigung“seien.
Erst 2014 einigten sie sich schließlich, dass die Anzeigen in allen wichtigen Sonntagszeitungen abgedruckt, zur Hauptsendezeit im Fernsehen ausgestrahlt und auf den Packungen zitiert werden müssen. „Tabakkonzerne haben Zigaretten vorsätzlich mit so viel Nikotin versehen, um Abhängigkeit zu erzeugen und aufrechtzuhalten“, heißt es nun in einer der großflächigen Anzeigen.
Auch diese Formulierung wurde drastisch entschärft. Der Vorschlag aus dem Jahr 2011 lautete: „Wir haben unter Eid ausgesagt, dass wir der Meinung sind, Nikotin mache nicht abhängig. Wir haben behauptet, dass Rauchen nichts mit Sucht zu tun hat und man nur Willenskraft benötigt, um aufzuhören. Die Wahrheit ist aber: Rauchen macht extrem abhängig. Und es ist nicht leicht, damit aufzuhören. Wir haben die Zusammensetzung von Zigaretten so manipuliert, dass sie besonders süchtig machen.“
Matthew Myers, Präsident der Kampagne „Tobacco-free Kids“, sieht in diesem Kompromiss einen „bedeutenden, aber auch frustrierenden Sieg“. Die Tabakkonzerne hätten Millionen ausgegeben, um ein Gerichtsurteil zu bekämpfen, das sie lediglich dazu verpflichtet, die Wahrheit über ihr Produkt zu verbreiten. Alleine im Jahr 2014 habe die Us-tabakindustrie acht Milliarden Dollar für Werbung und verkaufsfördernde Maßnahmen ausgegeben.
Myers ist auch der Meinung, dass die Kampagne nicht mehr so effektiv sei wie ursprünglich geplant: Weniger Menschen würden heutzutage Zeitung lesen und fernsehen. Außerdem hätten sich die Konzerne erfolgreich gegen die Phrase „Die Wahrheit ist aber“gewehrt.