Selbstmord eines Kriegsverbrechers im Gericht
Militärchef der bosnischen Kroaten im Bosnien-krieg schluckt nach Urteilsverkündung Gift.
Seine Strafe nahm der Angeklagte keineswegs klaglos hin. „General Slobodan Praljak ist kein Kriegsverbrecher. Ich weise das Urteil zurück!“, rief der 72-jährige Ex-kommandant der bosnisch-kroatischen Armee empört, nachdem die Berufungskammer des Unkriegsverbrechertribunals in Den Haag seine 20-jährige Haftstrafe aus erster Instanz bestätigt hatte. Mit zitternder Hand flößte er sich aus einem bräunlichen Fläschlein eine Flüssigkeit ein. Er habe „Gift“eingenommen, ließ er die entgeisterten Richter wissen.
Im Berufungsverfahren gegen die politische und militärische Führung des einstigen Parastaats Herceg-bosna hatte das Un-tribunal auch über die Rolle Kroatiens im Bosnien-krieg zu befinden: Das Urteil in erster Instanz, dass Kroatiens Staatsgründer Franjo Tud-jman Teil einer kriminellen Vereinigung zur ethnischen Säuberung und Annektierung der Herzegowina gewesen sei, wurde von der Berufungskammer bestätigt. Der Selbstmord sollte die mit Spannung erwarteten Urteile über die sechs Angeklagten überschatten. Hektisch ordnete der Vorsitzende Richter Carmel Agius die Schließung der Jalousien zur Besuchertribüne an. Kurz nach der Einlieferung in die Bronovo-klinik in Den Haag wurde dann der Tod des Verurteilten bekannt gegeben.
Die niederländischen Justizbehörden leiteten Ermittlungen ein. Die Fragen, welche Substanz Praljak geschluckt hatte und wie er daran gelangen konnte, drängten den Inhalt des letzten Urteils des zu Jahresende auslaufenden Mandats des Un-tribunals in den Hintergrund, obwohl es bei den bosnischen Kroaten sowie auch in Zagreb für heftige Ablehnung sorgte.