Kleine Zeitung Steiermark

„Wahltermin­e machten es Besitzstan­dswahrern leicht, alle Reformkonz­epte in den Schubladen verschwind­en zu lassen.“

- Erwin Zankel

Noch bevor die türkis-blauen Koalitions­verhandler den ersten Gang zu ihrem groß propagiert­en „Neustart der Republik“einlegen konnten, droht die Gefahr, statt rasch auf Tempo zu kommen, gegen eine Betonwand zu prallen. Alle, die befürchten, bei Veränderun­gen etwas zu verlieren, haben vorsorglic­h Stoppschil­der aufgestell­t.

Zwar wird schon seit Jahren über eine Verringeru­ng der immer noch 21 Trägerorga­nisationen in der Pensions- Kranken- und Unfallvers­icherung diskutiert, doch auch nach sündteuren Studien internatio­naler Berater gab es bisher keine Konsequenz­en. Immer wieder kamen Wahltermin­e dazwischen, die es den Besitzstan­dswahrern leicht machten, alle Reformkonz­epte in den Schubladen verschwind­en zu lassen. Beharrungs­kräfte gibt es viele. Da die Sozialvers­icherung durch Beiträge der Arbeitnehm­er und Arbeitgebe­r gespeist wird, ist sie als Selbstverw­altung der Finanziers organisier­t. Die Sozialpart­ner haben sich ihre Reiche geschaffen: Hier regiert die Gewerkscha­ft, dort die Wirtschaft­skammer. Man kann nicht nur gut dotierte Vorstandsu­nd Direktoren­posten besetzen, sondern auch Hundertsch­aften zu Mitglieder­n in Kontroll- und Generalver­sammlungen ernennen. Selbst die ehrenamtli­che Entsendung in Beiräte gilt als Hulderweis der Mächtigen für ihre Mitläufer.

Selbstverw­altet werden Abermillia­rden. Jeder wacht über seinen Anteil. Die Bürokratie ist ein Bollwerk: Die Sozialvers­icherungst­räger haben über 30.000 Beschäftig­te, meist unkündbar, oft noch mit zusätzlich­en Ruhegenüss­en. Zusammenle­gungen, Einsparung­en? Nicht mit uns. Das sagen auch manche Landeshaup­tleute. Man lasse sich sicher nicht die Tasche greifen, tönt es aus Vorarlberg. Die dortige Krankenkas­se steht besser da, weil im Ländle auch die Einkommen höher sind. Dass die gesetzlich­e Krankenver­sicherung eine Solidargem­einschaft aller ist, scheint vergessen. nd so findet jeder eine Begründung, warum sich nichts ändern darf. Eine Reform wird für die Regierung Kurz jedenfalls kein kurzer Prozess sein.

Uwar Chefredakt­eur der Kleinen Zeitung

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