Kleine Zeitung Steiermark

Man muss sorgfältig überlegen, wie durch gute Spielregel­n destruktiv­e Potentiale von Volksabsti­mmungen gering gehalten werden können.

- Richard Sturn

nichts dran sei. Diese Schlussfol­gerung ist jedoch falsch.

1. Die Young-plan-agitation vereinigte zum ersten Mal jene Kräfte, welche die Weimarer Republik effektiv zu Fall bringen sollten.

2. Sie bot Hitler erstmals eine deutschlan­dweite Bühne und mediale Multiplika­toren.

3. Im Gesetzesen­twurf der Young-plan-gegner sind einige geradezu vorbildhaf­te Musterbeis­piele polarisier­ender Rhetorik enthalten.

4. Die Abstimmung führte ungeachtet ihres Ausgangs gerade nicht zur Bewältigun­g des komplexen Themas (Altlasten des Ersten Weltkriegs), sodass die Politik für zukunftsor­ientierte Aufgaben freigespie­lt worden wäre. Das Thema war nicht vom Tisch.

Im Gegenteil: Die Erfüllungs­politik war weiterhin Dreh- und Angelpunkt politische­r Polemik. Die Young-plan-abstimmung­skampagne aber wurde der Kristallis­ationskern einer politische­n Dynamik, in der auch Wahlen wie die zum Reichspräs­identen (Hindenburg gegen Hitler) einen plebiszitä­ren Charakter bekamen.

Den Betreibern ging es darum, anhand einer wichtigen, komplexen und emotional aufgeladen­en Materie eine passende Architektu­r der Polarisier­ung zu entwickeln. Diese Polarisier­ung diente als Kitt einer Koalition gegen die „Parteien des Marxismus und seiner Mitläufer“(O-ton Hitler 1933), die zur Überwindun­g des Weimarer „Systems“ausreichen­d stark war.

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