Wa(h)re Kunst oder ein Himmel ohne Tränen
Während einer Ausstellung zu seinem 50. Geburtstag wurde Pablo Picasso von einem Kritiker gefragt: „Können Sie mir sagen, was dieses Bild bedeuten soll?“Picasso warf einen abschätzigen Blick auf den Herrn, dann auf das Bild und meinte: „300.000 Franc, mon ami!“
Gemäß dieser Logik würde unser heutiges Bild zum ersten Adventsonntag nichts weiter „bedeuten“als 26,4 Millionen Euro. So viel nämlich zahlte ein anonymer Sammler im Auktionshaus Christie’s, als es dort der englische Rockstar Eric Clapton vor fünf Jahren versteigern ließ. Das Gemälde mit dem sparsamen Titel „Abstraktes Bild (809-4)“stammt von der Hand des deutschen Malerstars Gerhard Richter, der erst dieser Tage von einer internationalen Jury zum wichtigsten Künstler der Gegenwart gekürt wurde – bereits zum 14. Mal in Folge.
Dabei dachte der heute 85-Jährige wohl kaum an den schnöden Mammon, als er sich 1994 mit den spätherbstlichen Farben Gelb, Scharlachrot und Smaragdgrün über seine zwei mal zwei Meter große Leinwand hermachte, adventliches Violett und Preußischblau auftupfte, die einzelnen Farbschichten mit einem Brett abzog und sich über das weitgehend vom Zufall bestimmte Ergebnis freute.
Keine allzu große Kunst, meinen Sie? Und noch dazu obszön kostspielig – so teuer, dass sich Eric Clapton vom Versteigerungserlös ein neues Privatflugzeug oder Tausende neue Fender-gitarren kaufen könnte?
Irgendwie geht es der Kunst wie der von manchen so ungeliebten Weihnachtszeit. Von den einen zum bloßen Geschäft degradiert, das nicht nur Auktionshäusern die größten Umsätze des Jahres beschert, finden andere darin auch Raum zur Besinnung und Neuorientierung. Der amerikanische Autor Paul Auster formulierte es einmal so: „Der wahre Sinn der Kunst liegt nicht darin, schöne Objekte zu schaffen. Es ist vielmehr eine Methode, um zu verstehen. Ein Weg, die Welt zu durchdringen und den eigenen Platz zu finden.“
Auch Eric Clapton hat dies beherzigt, als er nach dem Tod seines vierjährigen Sohnes Connor – er stürzte in New York vom 53. Stock eines Hochhauses – seinen Welthit „Tears in Heaven“schrieb. Darin heißt es: „Jenseits der Tür gibt es Frieden. Und ich weiß, es wird keine Tränen mehr geben im Himmel.“An das künftige viele Geld für seine Trauerarbeit hat der 17-fache Grammy-gewinner wohl ebenfalls nicht gedacht.