Zwei Klavierhäuser mit langer Tradition
Fast 170 Jahre Klavierhaus Fiedler und 111 Jahre Klavierhaus Streif in Graz: zwei steirische Traditions-familienunternehmen mit langer Geschichte.
Am Hofe des toskanischen Großherzogs Cosimo III. aus dem Hause Medici wirkte auch der Instrumentenbauer und -stimmer Bartolomeo Cristofori. Besessen arbeitete er an einer neuen Anschlagemechanik für Cembalos, um ein dynamisches Spiel zu ermöglichen. Sein Ziel war ein Cembalo, das in unterschiedlicher Lautstärke – also sowohl piano als auch forte – gespielt werden konnte. Damit entwickelte Cristofori 1698 das Klavier, eroberte die Musikwelt und verzauberte in der Folge auch den Gründer des Grazer Klavierhauses Fiedler.
Franz Fiedler aus Mähren war ein vielseitiger Mann, spielte Kontrabass in einer Kapelle, war Lehrer, Organist, Klavierstimmer und Klavierverkäufer. Mit seiner Kapelle kam er viel in Europa herum und 1841 auch nach „Grätz“, wo er sieben Jahre später „Franz Fiedler’s Pianofortehandlung und Leihanstalt“in der Alleegasse (heute Girardigasse) gründete. Er fing mit neun Flügeln als Leihinstrumenten an, spielte häufig auf „Leichen“auf, also bei Begräbnissen, aber auch bei Theaterstücken mit Musik. Fiedler nahm lebhaften Anteil am Konzertleben der Stadt und erwarb sich schnell einen so hervorragenden Ruf, dass er im Jahr 1857 von Ignaz Bösendorfer den exklusiven Handel mit seinen Instrumenten übertragen bekam. „Pianisten und musikalische Talente gingen in dem Musikhaus ein und aus, darunter auch Johannes Brahms – obwohl bei dem bekannten deutschen Komponisten angeblich auch privates Interesse an einer Bekannten von Franz Fiedlers Frau Auguste mitspielte“, wird im aktuellen „Business History Monat“berichtet. Hier werden in Zusammenarbeit mit dem Institut für Wirtschafts-, Sozialund Unternehmensgeschichte unter Leitung von Professor Stefan Karner von Lehrenden und Studierenden 15 erfolgreiche steirische Traditionsunternehmen kurz vorgestellt – von der Bäckerei Sorger über die Steiermärkische Sparkasse und Lieb Bau Weiz bis zur Zotter Schokoladen Manufaktur und dem Klavierhaus Fiedler.
Nach Franz Fiedlers Tod im Jahr 1876 übernahm Sohn Albert die Firma und machte sie groß. Er übersiedelte in die heutigen Geschäftsräume in der Beletage am Eisernen Tor 2 im Herzen von Graz und erhielt 1897 den Ehrentitel „k.u.k. Hoflieferant“verliehen. Albert war nicht nur Klaviermacher und gesuchter Klavierstimmer, sondern auch ein geschickter Geschäftsmann, bei dem die künstlerische Prominenz von Leo Slezak bis Peter Rosegger ein und aus ging. Sein ältester Sohn Albert, ein sehr guter Cellist, der unter Richard Strauss in vielen Konzerten spielte, trat Anfang des 20. Jahrhunderts als Erstes von drei Kindern in die Firma ein. Nach dem Zweiten Weltkrieg übernahm Gerhard Fiedler das Kommando in der Firma. Heute leitet Stephan Fiedler in bereits sechster Generation das Familienunternehmen.
Vor 111 Jahren wurde in Graz aber auch ein zweites Klavierhaus in Betrieb genommen, das ebenfalls ein Traditionsbetrieb mit großem Namen wurde. Im Jahr 1900 kam nämlich der gelernte Klavierbauer Emanuel Streif aus Wien nach Graz, wo er 1906 am Franziskanerplatz Nr. 8 eine Reparaturwerkstätte eröffnete. Schon nach wenigen Jahren wurde das Lokal zu klein und Streif übersiedelte ins Haus Sackstraße 14, in dem die Firma mehr als 102 Jahre blieb. Emanuel Streif und sein Sohn Heribert bauten die Meisterwerkstatt und das daran angeschlossene Geschäft konsequent aus. 1972 übernahm Heriberts Sohn Heimo Streif, damals der jüngste Klavierbaumeister Österreichs, und führte den Familienbetrieb 34 Jahre lang erfolgreich weiter. Im Juni 2006, exakt 100 Jahre nach Betriebsgründung, ging die Geschäftsleitung an Heimo Streif jun., der wie sein Vater ebenfalls Klavierbaumeister ist, und dessen Schwester Edda über, die nun in der Humboldtstraße 1–3 residieren.