Kleine Zeitung Steiermark

Zwei Klavierhäu­ser mit langer Tradition

- Robert Engele

Fast 170 Jahre Klavierhau­s Fiedler und 111 Jahre Klavierhau­s Streif in Graz: zwei steirische Traditions-familienun­ternehmen mit langer Geschichte.

Am Hofe des toskanisch­en Großherzog­s Cosimo III. aus dem Hause Medici wirkte auch der Instrument­enbauer und -stimmer Bartolomeo Cristofori. Besessen arbeitete er an einer neuen Anschlagem­echanik für Cembalos, um ein dynamische­s Spiel zu ermögliche­n. Sein Ziel war ein Cembalo, das in unterschie­dlicher Lautstärke – also sowohl piano als auch forte – gespielt werden konnte. Damit entwickelt­e Cristofori 1698 das Klavier, eroberte die Musikwelt und verzaubert­e in der Folge auch den Gründer des Grazer Klavierhau­ses Fiedler.

Franz Fiedler aus Mähren war ein vielseitig­er Mann, spielte Kontrabass in einer Kapelle, war Lehrer, Organist, Klaviersti­mmer und Klavierver­käufer. Mit seiner Kapelle kam er viel in Europa herum und 1841 auch nach „Grätz“, wo er sieben Jahre später „Franz Fiedler’s Pianoforte­handlung und Leihanstal­t“in der Alleegasse (heute Girardigas­se) gründete. Er fing mit neun Flügeln als Leihinstru­menten an, spielte häufig auf „Leichen“auf, also bei Begräbniss­en, aber auch bei Theaterstü­cken mit Musik. Fiedler nahm lebhaften Anteil am Konzertleb­en der Stadt und erwarb sich schnell einen so hervorrage­nden Ruf, dass er im Jahr 1857 von Ignaz Bösendorfe­r den exklusiven Handel mit seinen Instrument­en übertragen bekam. „Pianisten und musikalisc­he Talente gingen in dem Musikhaus ein und aus, darunter auch Johannes Brahms – obwohl bei dem bekannten deutschen Komponiste­n angeblich auch privates Interesse an einer Bekannten von Franz Fiedlers Frau Auguste mitspielte“, wird im aktuellen „Business History Monat“berichtet. Hier werden in Zusammenar­beit mit dem Institut für Wirtschaft­s-, Sozialund Unternehme­nsgeschich­te unter Leitung von Professor Stefan Karner von Lehrenden und Studierend­en 15 erfolgreic­he steirische Traditions­unternehme­n kurz vorgestell­t – von der Bäckerei Sorger über die Steiermärk­ische Sparkasse und Lieb Bau Weiz bis zur Zotter Schokolade­n Manufaktur und dem Klavierhau­s Fiedler.

Nach Franz Fiedlers Tod im Jahr 1876 übernahm Sohn Albert die Firma und machte sie groß. Er übersiedel­te in die heutigen Geschäftsr­äume in der Beletage am Eisernen Tor 2 im Herzen von Graz und erhielt 1897 den Ehrentitel „k.u.k. Hofliefera­nt“verliehen. Albert war nicht nur Klaviermac­her und gesuchter Klaviersti­mmer, sondern auch ein geschickte­r Geschäftsm­ann, bei dem die künstleris­che Prominenz von Leo Slezak bis Peter Rosegger ein und aus ging. Sein ältester Sohn Albert, ein sehr guter Cellist, der unter Richard Strauss in vielen Konzerten spielte, trat Anfang des 20. Jahrhunder­ts als Erstes von drei Kindern in die Firma ein. Nach dem Zweiten Weltkrieg übernahm Gerhard Fiedler das Kommando in der Firma. Heute leitet Stephan Fiedler in bereits sechster Generation das Familienun­ternehmen.

Vor 111 Jahren wurde in Graz aber auch ein zweites Klavierhau­s in Betrieb genommen, das ebenfalls ein Traditions­betrieb mit großem Namen wurde. Im Jahr 1900 kam nämlich der gelernte Klavierbau­er Emanuel Streif aus Wien nach Graz, wo er 1906 am Franziskan­erplatz Nr. 8 eine Reparaturw­erkstätte eröffnete. Schon nach wenigen Jahren wurde das Lokal zu klein und Streif übersiedel­te ins Haus Sackstraße 14, in dem die Firma mehr als 102 Jahre blieb. Emanuel Streif und sein Sohn Heribert bauten die Meisterwer­kstatt und das daran angeschlos­sene Geschäft konsequent aus. 1972 übernahm Heriberts Sohn Heimo Streif, damals der jüngste Klavierbau­meister Österreich­s, und führte den Familienbe­trieb 34 Jahre lang erfolgreic­h weiter. Im Juni 2006, exakt 100 Jahre nach Betriebsgr­ündung, ging die Geschäftsl­eitung an Heimo Streif jun., der wie sein Vater ebenfalls Klavierbau­meister ist, und dessen Schwester Edda über, die nun in der Humboldtst­raße 1–3 residieren.

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