Kleine Zeitung Steiermark

Momente einer Freundscha­ft

- Von Hubert Patterer und Stefan Winkler

Am 6. Dezember feiert Peter Handke seinen 75. Geburtstag. Wir trafen seinen Dichterfre­und Alfred Kolleritsc­h und sprachen mit ihm über eine außergewöh­nliche Beziehung.

Wie haben Sie Peter Handke kennengele­rnt, Herr Kolleritsc­h? ALFRED KOLLERITSC­H: Er ist eines Tages im Forum Stadtpark aufgetauch­t. Das war zu Beginn der Sechzigerj­ahre. Bei Veranstalt­ungen stand er still und scheu herum. Im Juni 1963 hat Herbert Eisenreich dann bei einer Lesung im Forum aufgegeigt. Er hat behauptet, dass es niemanden mehr gebe, der einen Roman schreiben könne. Da ertönt plötzlich eine Stimme. Es war Handke, der bis dahin so Stille, und er sagte: „Ich kann’s.“Das war wie ein Schlag. Der Eisenreich hat gedacht, das ist ein Wahnsinnig­er. Es war eine Vorstufe zum legendären Auftritt in Princeton, eine unvermeidl­iche Einübung.

Wieso unvermeidl­ich?

Es hat sich sofort abgezeichn­et, dass da ein heller Kopf mit unheimlich­er Sprachgewa­lt im Kommen ist. Obwohl, als wir den ersten Forums-ausflug in die Schweiz gemacht haben, ist Handke nicht mitgenomme­n worden, weil man ihn noch für zu unreif gehalten hat.

Wie empfanden Sie ihn?

Ich war glücklich, dass einer zu uns stößt, der klar seinen Standpunkt vertritt und über das Schreiben spricht. Wolfi Bauer und Gunter Falk waren keine Die haben lieber ein Bier getrunken. Wir haben über Doderer geredet und über Faulkner und ich habe gemerkt, dass Handke die Werke, über die er sprach, auch gelesen hat.

Was war in Ihren Augen Auffälligs­te an ihm?

Diese stille Art mit einer kaum hörbaren Stimme, die im Laufe des Gespräches lebendig geworden ist. Es war blitzgesch­eit, was er gesagt hat, kein Blabla, keine falschen Aggression­en.

das

Woher kam das Selbstbewu­sste, das ihn arrivierte­n Dichtern gegenüber so auftreten ließ?

Das hat er in sich gehabt. Er war immer felsenfest von sich und seiner Schreibkra­ft überzeugt. Ich habe ihn nie unsicher erlebt. Seine erste Lesung hat er in einem Frauenklos­ter am Stadtrand von Wien gehabt. Wir waren über den Maler Josef Mikl eingeladen. Handke hat aus seiner „Lebensbesc­hreibung“Jesu gelesen. Später hat er den Schluss geändert. Aber damals hat das Stück noch so aufgehört: „Und am dritten Tage soll er auferstand­en sein. Aber diese Meldung wurde nie bewiesen.“Das ist bei den Schwestern nicht wirklich gut angekommen. Mikl hat sich über den jungen beleidigen­den Herrn aufgeregt. Wir haben den Text trotzdem dru- cken lassen und ihn als Weihnachts­gabe an Forum-freunde verschickt. Das hat nicht alle gefreut. Aber es war Handkes erste Publikatio­n in Literatenk­reisen.

Was waren Sie für Peter Handke in diesen frühen Jahren?

Ich habe ihn sofort mögen und er mich. Wir haben gar nicht viel über Literatur geredet. Ich bin mit ihm in die Südsteierm­ark zu meiner Familie. Und er hat mich zu seiner Mutter mitgenomme­n und seinem Bruder, dem Zimmermann. Zu Hause in Griffen haben sie ihn verehrt.

Was war das Verbindend­e, wenn es nicht das Schreiben war? Wir haben in den Murauen und den Weinbergen Spaziergän­ge gemacht, sind eingekehrt und mit anderen zusammenge­sessen. Mich berührte immer, mit welcher Anteilnahm­e er das Gespräch mit einfachen Leuten suchte. Das ist bis heute so. Er redet stundenlan­g mit einem Winzer und kann Monate später noch jede Sequenz aus dem Gedächtnis abrufen. Wir kickdiskut­ierer. ten auch viel. Durch ihn bin ich überhaupt erst auf die Beatles gekommen. Er hat mich in Graz ins Café Promenade geschleppt und mir aus der Jukebox alle Beatles-songs vorgespiel­t.

Handke wurde früh zum Popstar der Literatur. Hat der ungleich verteilte Ruhm die Freundscha­ft nie getrübt?

Überhaupt nicht. Handke ist mit der Anerkennun­g sogar offener geworden, hat andere Autoren unterstütz­t. Vom ersten Honorar hat er mir 1000 Schilling für die „manuskript­e“gegeben. Er ist im Grunde seines Herzens ja ein guter Mensch. Ich kenne keinen Schriftste­ller, der sich so für andere eingesetzt hat.

Handke hat aber immer auch seine Gegnerscha­ften gepflegt. Er hat die Wiener Gruppe nie gemocht, die ihn auch nicht. Bevor ich Handke kennenlern­te, habe ich viel von Gerhard Rühm veröffentl­icht. Wenn wir uns streiten, wirft Handke mir an den Kopf: „Du mit deinem Rühm.“Er hat auch Ernst Jandl

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