Kleine Zeitung Steiermark

Zur Person

- Alfred Kolleritsc­h,

nicht ernst genommen. Und mit Thomas Bernhard war das Verhältnis sowieso schwierig. Das waren völlig konträre Typen. Bernhard schüttet Spott aus. Alfred Kolleritsc­h im „manuskript­e“-büro in Graz

geboren am 16. Februar 1931 im südsteiris­chen Brunnsee, zählt zu den wichtigste­n Wegbereite­rn der deutschspr­achigen Gegenwarts­literatur.

Er war Mitbegründ­er und Langzeitpr­äsident des Forums Stadtpark, ist seit über einem halben Jahrhunder­t Herausgebe­r der renommiert­en Literaturz­eitschrift „manuskript­e“, in der neben Peter Handke Autoren von Bauer bis Jonke und Roth, von Frischmuth bis Jelinek debütierte­n.

Gibt es Dinge an ihm, die Sie nie verstanden haben?

Da ist nichts, was für mich existenzie­ll wäre. Seine Haltung zu Srebrenica, seine Nähe zu den Serben, die habe ich ihm vorgehalte­n. Aber das wurde nie ausgesproc­hen zwischen uns.

Wie halten Sie im Alter Freundscha­ft aufrecht?

Wir schreiben uns, telefonier­en. Einmal im Jahr kommt er in die Steiermark, früher nach Graz, jetzt nur noch bis nach Kapfenberg, weil er dann weiter auf den Semmering zu seiner Tochter fährt. Wir, die Freunde, stehen dann am Bahnhof, glücklich darüber, dass er sich mit uns trifft. Er steigt aus und wir gehen zum Gasthaus Holzer in Neuberg gut essen.

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Was ist das Besondere an Ihrer Freundscha­ft?

Es ist eine Freundscha­ft, die für mich bestimmend war. Handke war in vielem ein Lehrmeiste­r. Ich habe seine Überlegenh­eit immer anerkannt. Viel wert war die Entder fernung. Man freut sich jedes Mal, wenn man sich sieht. Aber ich hätte fast Angst, lange mit ihm zusammen zu sein.

Weil es die Freundscha­ft zerstören würde?

Er ist einer, der den Außenseite­r in sich sucht. In einem Brief werfe ich ihm vor: „Ich fahre nicht mehr zu dir, du hast keine Zeit für mich!“Wenn wir bei ihm gemeinsam in den Wald gegangen sind, war das so, als ob er in einem Schacht neben mir gehen würde. Er hat Pilze gesucht und zugleich schon etwas aufgeschri­eben im Kopf.

Zu welchem seiner Bücher greifen Sie immer wieder?

Zu den Tagebücher­n. Zum Schönsten, was er geschriebe­n hat, gehört für mich aber immer noch das „Wunschlose Unglück“.

Was wünschen Sie ihm?

Dass ihm meine sechs Weinflasch­en aus dem Grenzland schmecken. Und dass er wieder einmal kommen möge.

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MARIJA KANIZAJ
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KOLLERITSC­H
„Er war in vielem ein Lehrmeiste­r.“Peter Handke und Alfred Kolleritsc­h 1971 auf dem Empire State Building in New York KOLLERITSC­H

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