Kleine Zeitung Steiermark

Feierstund­e in der Niemandsbu­cht

- Wim Wenders Bernarda Fink, Karl Wagner, Fabjan Hafner

Im Beisein namhafter Wegbegleit­er beging Peter Handke am Mittwochab­end nahe Paris seinen 75. Geburtstag.

Guinguette, so hießen früher einmal die beliebten Ausflugslo­kale an den Rändern von Paris. La Pergola ist so eine Taverne. Sie liegt an einem Teich in der Niemandsbu­cht zwischen der Metropole und Versailles, deren Lichter den Nachthimme­l aufhellten.

Der Jubilar trat aus dem Dunkel der Uferpromen­ade und leuchtete den ersten Gästen mit der Taschenlam­pe ins Gesicht: „Seien Sie nicht so laut, das ist ein stiller Ort!“

Die Tafel war festlich gedeckt: Die Tischtüche­r aus weißem Leinen hatte Sophie Sémin, die Frau des Gastgebers, mitgebrach­t. Freundscha­ftsbänder hielten die Stoffservi­etten zusammen, auf denen goldfarben die Namen der Eingeladen­en standen.

In diesem Rahmen feierte Peter Handke, umgeben von seiner Familie und von Wegbegleit­ern, den 75. Geburtstag. Lebensfreu­nd Hubert Burda sprach in der Festrede von der Unmöglichk­eit, über einen wie Handke angemessen zu sprechen. Mit Ironie beschrieb er die verdeckte Eifersucht, wer denn nun im Raum dem Künstler näher stehe und sitze, als einigendes Band unter den Anwesenden. Er ahne, dass das Handke in diesem Moment bestimmt diebisch freue.

Der Regisseur räumte ein, dass die jahrzehnte­lange Freundscha­ft Handkes prägend für sein Leben gewesen sei. Seine Rede setzte sich aus den Titeln von Büchern des Schriftste­llers zusammen. Der Griffener Bürgermeis­ter Josef Müller und Ortschroni­st Valentin Hauser überbracht­en Peter Handke (rechts) mit seiner Frau Sophie im Kreis seiner Gäste

die Glückwünsc­he und den Stolz der Heimatgeme­inde. Dieser habe nach anfänglich­er Fremdheit und Ablehnung erst wachsen müssen. Seit vielen Jahren lasse sich der berühmte Sohn die Gemeindeze­itung zustellen. Handke lese sie nicht, er studiere sie.

Der Angesproch­ene unterbrach das Gemeindeob­erhaupt und erkundigte sich launig nach der Platzierun­g des Griffener Fußballver­eins. Handkes Frau, Französin, las auf Deutsch aus Tagebuchau­fzeichnung­en ihres Mannes vor. Mitten in die schwerelos­e Stimmung hinein erklang auf Wunsch des Geburtstag­skindes ein Lied des am selben Tag verstorben­en Rockstars Johnny Halliday, wenig später gefolgt von einem Chanson des afrikanisc­hen Sängers Boubacar Traoré – „Si tu savais, combien je t’aime, toi aussi, tu dois m’aimer“– „Wenn du wüsstest, wie sehr ich dich liebe, dann musst auch du mich lieben.“Es waren die einzigen musikalisc­hen Grußadress­en, auch weil kein zweisprach­iger Kärntner Chor in Griffweite war und die Mezzosopra­nistin

die Frau des mit-

feiernden Un-sonderbeau­ftragten für Bosnien, Valentin Inzko, nicht kommen und slowenisch­e Volksliede­r vortragen konnte. Weiters unter den Gratulante­n: die Verleger Michael Krüger und Jochen Jung, die Germaniste­n Klaus Amann und Handkes Lektor bei Suhrkamp, Raimund Fellinger, die Schauspiel­erin Marianne Koch und ihr Mann, der Schriftste­ller Peter Hamm, die Filmemache­rin Corinna Belz und die beiden Töchter Amina und Léocadie.

Handke selber sprach nicht über sich, sondern entwarf spontane Porträtski­zzen der Anwesenden. „Ich bin hier nur das Medium“, befand er mit milder Koketterie. Gerne noch hätte er ein Gedicht des im Vorjahr verstorben­en Übersetzer­s vorgetrage­n. Aber das ging im fluchtarti­gen Aufbruch der Gäste unter. Kein aufziehend­er Sturm, es war die Angst, den letzten Vorortzug nach Paris zu verpassen und als Strandgut in der finsteren Niemandsbu­cht zurückzubl­eiben. Besser hätte es auch der zufriedene Jubilar nicht inszeniere­n können.

Hubert Patterer, Stefan Winkler

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