Feierstunde in der Niemandsbucht
Im Beisein namhafter Wegbegleiter beging Peter Handke am Mittwochabend nahe Paris seinen 75. Geburtstag.
Guinguette, so hießen früher einmal die beliebten Ausflugslokale an den Rändern von Paris. La Pergola ist so eine Taverne. Sie liegt an einem Teich in der Niemandsbucht zwischen der Metropole und Versailles, deren Lichter den Nachthimmel aufhellten.
Der Jubilar trat aus dem Dunkel der Uferpromenade und leuchtete den ersten Gästen mit der Taschenlampe ins Gesicht: „Seien Sie nicht so laut, das ist ein stiller Ort!“
Die Tafel war festlich gedeckt: Die Tischtücher aus weißem Leinen hatte Sophie Sémin, die Frau des Gastgebers, mitgebracht. Freundschaftsbänder hielten die Stoffservietten zusammen, auf denen goldfarben die Namen der Eingeladenen standen.
In diesem Rahmen feierte Peter Handke, umgeben von seiner Familie und von Wegbegleitern, den 75. Geburtstag. Lebensfreund Hubert Burda sprach in der Festrede von der Unmöglichkeit, über einen wie Handke angemessen zu sprechen. Mit Ironie beschrieb er die verdeckte Eifersucht, wer denn nun im Raum dem Künstler näher stehe und sitze, als einigendes Band unter den Anwesenden. Er ahne, dass das Handke in diesem Moment bestimmt diebisch freue.
Der Regisseur räumte ein, dass die jahrzehntelange Freundschaft Handkes prägend für sein Leben gewesen sei. Seine Rede setzte sich aus den Titeln von Büchern des Schriftstellers zusammen. Der Griffener Bürgermeister Josef Müller und Ortschronist Valentin Hauser überbrachten Peter Handke (rechts) mit seiner Frau Sophie im Kreis seiner Gäste
die Glückwünsche und den Stolz der Heimatgemeinde. Dieser habe nach anfänglicher Fremdheit und Ablehnung erst wachsen müssen. Seit vielen Jahren lasse sich der berühmte Sohn die Gemeindezeitung zustellen. Handke lese sie nicht, er studiere sie.
Der Angesprochene unterbrach das Gemeindeoberhaupt und erkundigte sich launig nach der Platzierung des Griffener Fußballvereins. Handkes Frau, Französin, las auf Deutsch aus Tagebuchaufzeichnungen ihres Mannes vor. Mitten in die schwerelose Stimmung hinein erklang auf Wunsch des Geburtstagskindes ein Lied des am selben Tag verstorbenen Rockstars Johnny Halliday, wenig später gefolgt von einem Chanson des afrikanischen Sängers Boubacar Traoré – „Si tu savais, combien je t’aime, toi aussi, tu dois m’aimer“– „Wenn du wüsstest, wie sehr ich dich liebe, dann musst auch du mich lieben.“Es waren die einzigen musikalischen Grußadressen, auch weil kein zweisprachiger Kärntner Chor in Griffweite war und die Mezzosopranistin
die Frau des mit-
feiernden Un-sonderbeauftragten für Bosnien, Valentin Inzko, nicht kommen und slowenische Volkslieder vortragen konnte. Weiters unter den Gratulanten: die Verleger Michael Krüger und Jochen Jung, die Germanisten Klaus Amann und Handkes Lektor bei Suhrkamp, Raimund Fellinger, die Schauspielerin Marianne Koch und ihr Mann, der Schriftsteller Peter Hamm, die Filmemacherin Corinna Belz und die beiden Töchter Amina und Léocadie.
Handke selber sprach nicht über sich, sondern entwarf spontane Porträtskizzen der Anwesenden. „Ich bin hier nur das Medium“, befand er mit milder Koketterie. Gerne noch hätte er ein Gedicht des im Vorjahr verstorbenen Übersetzers vorgetragen. Aber das ging im fluchtartigen Aufbruch der Gäste unter. Kein aufziehender Sturm, es war die Angst, den letzten Vorortzug nach Paris zu verpassen und als Strandgut in der finsteren Niemandsbucht zurückzubleiben. Besser hätte es auch der zufriedene Jubilar nicht inszenieren können.
Hubert Patterer, Stefan Winkler