Kleine Zeitung Steiermark

Türkis-blau: Was dürfen wir hoffen, was müssen wir fürchten?

- Armin Thurnher,

Gründer und

Herausgebe­r der Wiener Stadtzeitu­ng „Falter“, Autor von Essays, Romanen und Kochbücher­n, Musik-, Diskurs- und überhaupt Liebhaber ARMIN THURNHER: „Was dürfen wir hoffen?“ist die dritte klassische Frage von Immanuel Kant. Die vorangegan­genen beiden lauten „Was können wir wissen?“und „Was sollen wir tun?“. Ich fürchte, wir wissen einstweile­n zu wenig, um uns vor dem farblichen Missgriff der Saison zu fürchten. Zugleich ist es zum Fürchten, dass Leute an die Macht gewählt wurden, weil sie es schafften, uns nicht wissen zu lassen, was sie zu tun gedenken. Oder weil sie uns hoffen lassen, dass sie nicht das tun, was wir aus ihren Worten und Taten schließen können. Der einzige Schluss, den wir ziehen können, ist jener der Balkanrout­e, und der ist ein Propaganda­schmäh.

MICHAEL FLEISCHHAC­KER: Mir ist das jetzt grad ein bisschen zu wortverspi­elt, lieber Thurnher. Darum vielleicht zu Beginn ein halbphilos­ophischer Kalendersp­ruch, der das Thema, das uns gestellt wurde, zum Ausgangspu­nkt hat: Es ist nicht so schlimm, wie wir befürchten, und es ist nicht so gut, wie wir hoffen. Ich denke nicht, dass es viel Sinn hat, die eingefrore­nen Posthorntö­ne eines in jeder Hinsicht verunfallt­en Wahlkampfs aufzutauen. Wenn ich das, was bisher an Einigungen aus den Koalitions­gesprächen bekannt ist, zusammenfa­sse, erweckt es mir nicht den Eindruck, als würde da an der konservati­ven Revolution gearbeitet, die vom Justemilie­u angstlüste­rn herbeifant­asiert wird.

THURNHER: Ja, das gute alte Justemilie­u! Das lassen wir einmal, Ihr Einverstän­dnis vorausgese­tzt, beiseite. Aus dieser schönen Wendung spricht eine Angst vor der 68er-bewegung, die Sie, bald 50 Jahre danach, langsam wieder ablegen können. Gerade sah ich Herrn Strache im Fernsehen. Er sagte, jetzt gehe es darum, „die Überschrif­ten mit Leben zu erfüllen“. Das erwarte ich, das haben sie mir im Wahlkampf versproche­n und dieses Verspreche­n werden sie einhalten: lebende Überschrif­ten. Das ist so ziemlich das Fürchterli­chste für einen wortverlie­bten Menschen wie Künftiges Koalitions­duo: FPÖ-CHEF Heinz-christian Strache, ÖVP-CHEF Sebastian Kurz

Ein Heimatschu­tzminister­ium erfüllt sich mit Leben und ein glühender Europäer chillt mit Viktor Orbán – das sind in meinen Augen „schrecklic­he Bilder“. Ich fürchte mich nicht, mir graut vor ihnen.

FLEISCHHAC­KER: Ja, dann genießen Sie halt Ihr Grauen, steht Ihnen zu, finde ich. Ich fürchte mich weder – schon gar nicht vor den in die Jahre gekommenen 68ern, die zu ihrem 50. Geburtstag ihre „Weißt du noch, Kamerad“-balladen anstimmen –, noch graut mir. Ich bin neugierig. Ich bin neugierig, ob sich das, was da an großer Veränderun­g, an „Jetzt oder nie“, an „Es ist Zeit“angekündig­t wurde, in konkrete Politik übersetzen lässt. Und wenn ja, ob das eine Politik sein wird, die ich für vernünftig halte oder nicht. Fürchten und Hoffen klingt mir zu sehr nach politische­r Theologie, und die hat schon bessere Zeiten gesehen. Ich denke, es wird eine ziemlich durchgängi­ge Enttäuschu­ng geben, bei den Fürchtern genauso wie bei den Hoffern.

THURNHER: Eh. Ich fürchte mich erst, wenn ich zum Fluss der Angst komme. Ich hoffe natürlich auf Wortbrüche der Freiheitli­chen, was deren Europapoli­tik betrifft. Da stellen sie sich als megasituat­ionselasti­sch heraus, soviel man erkennen kann. Was da auf Facebook und Youtube nicht alles gesagt wurde! Ich freue mich übrigens auf eine neue Medienförd­erung, sieht ganz so aus, als würde Sebastian Kurz ernst machen und endlich mit dem Regime von „Krone“und „Österreich“bremich.

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