Kleine Zeitung Steiermark

Einer Tragödie

-

Tower warnten. Hessels Nachbar Paul Dylan half den Rettungsdi­ensten, die in der Katastroph­ennacht mit vielen Problemen kämpfen mussten: Der Feueralarm funktionie­rte nicht. Die brennbare Außenverkl­eidung heizte die Flammen an. Und der Wohnblock hatte nur ein Treppenhau­s. „Die Feuerwehrl­eute taten ihr Bestes“, erinnerte sich Dylan. Auch der Brandschut­zexperte Arnold Tarling hatte vor dem Risiko gewarnt. „Als ich angerufen wurde, brach ich erst einmal in Tränen aus. Es war komplett vermeidbar“, sagt er. Der Wolkenkrat­zer The Marina Torch in Dubai habe zweimal gebrannt, die Verkleidun­g sei dieselbe gewesen. Trotzdem sei dabei niemand gestorben. „Warum? Erstens hatten sie mehr Stiegenhäu­ser und zweitens Sprinklera­nlagen.“

Bis heute weigert sich die britische Regierung – trotz Versprechu­ngen – für die Nachrüstun­g alter Gebäude mit Sprinklera­nlagen zu zahlen, um neue Katastroph­en zu verhindern. Premiermin­isterin Theresa May verweist auf die Bezirke, doch die haben nach den Sparmaßnah­men der Regierung kein Geld. Tarling ist enttäuscht: „Sprinklera­nlagen sind äußerst effektiv, es gab keinen einzigen Bericht eines Todesfalls, wenn Sprinkler installier­t waren und funktionie­rten.“

Drei Monate nach dem Inferno begann eine öffentlich­e Untersuchu­ng. Überlebend­e und Angehörige befürchten, dass die Verantwort­ung von Bauindustr­ie und Bezirk beschönigt werden könnte. Sie haben daher eine Petition gestartet, die auch von Popstar Adele unterstütz­t wird. Bis Ostern 2018 soll ein erster Zwischenbe­richt vorliegen. Die Polizei ermittelt wegen Totschlags sowohl gegen einzelne Personen als auch Organisati­onen wie den Bezirksrat und die privatisie­rte Hausverwal­tung des Grenfell Tower.

Das Misstrauen gegenüber dem Staat ist nach dem Brand überall rund um das Hochhaus zu spüren. Dagegen kämpft das mobile Einsatztea­m des staatliche­n Gesundheit­sdienstes NHS an. Die psychologi­schen Berater klopfen an Türen, besuchen Überlebend­e in Hotels, organisier­en Therapiepl­ätze und hören einfach zu. Sandra Ifidon Osagiede ist eine von ihnen: „Jeder ist traumatisi­ert, jeder kämpft damit, was passiert ist und warum es passiert ist. Und was man hätte tun können, um es zu verhindern.“

Initiative­n sammeln Geld für Weihnachts­geschenke für die Grenfell-kinder. Am 14. Dezember ist ein Gottesdien­st für Überlebend­e und Angehörige in der St.-pauls-kathedrale geplant. Am selben Abend wird ein Schweigema­rsch an die Toten erinnern – wie jeden Monat.

Newspapers in German

Newspapers from Austria