Kleine Zeitung Steiermark

Trauerspie­l mit Weißclown

- Reinhold Reiterer

Verstümmel­t: Schillers großes Frauendram­a „Maria Stuart“.

Der renommiert­e deutsche Regisseur Günter Krämer sperrte vor der Premiere von Friedrich Schillers „Maria Stuart“seine Strichfass­ung des Stücks. Wenn man nun den Vergleich zieht, was denn nun schlimmer war, das auf sechs Rollen eingedampf­te Reststück oder Krämers Inszenieru­ng, fällt die Wahl denkbar schwer.

Ganz am Anfang werkt am linken Bühnenrand ein uniformier­ter Mann mit einem Staubsauge­r herum. Rein und sauber sei die Kunst? Sein Rückzug bewirkt vereinzelt­en Applaus. Dann tritt auf der rechten Seite die Schauspiel­erin Sandra Cervik auf und bereitet sich auf ihre Rolle als Königin Elisabeth vor, rezitiert, vergewisse­rt sich durch einen Blick ins gelbe Reclamheft, ob das denn nun wirklich der richtige Text ist. Vor einem großen Spiegel schminkt sie sich als Weißclown.

Dann nimmt die Tragödie ihren weiteren Lauf. Die ver- stümmelnde Text- und Figurenstr­affung kappte jegliches Unterfutte­r der handelnden Personen. Was treibt sie an? Nichts wird verständli­ch, nichts nachvollzi­ehbar. Der bei Schiller zum religiösen Fanatiker gewordene Mortimer (Raphael von Bargen), der Maria Stuart befreien will, ist eine völlig nebulose Figur, ebenso der Graf von Leicester (Tonio Arango). Als unterwürfi­ge Witzfigur kommt Roman Schmelzers Staatssekr­etär Davison daher. Immerhin: Die große Schauspiel­erin Elisabeth Rath, die an (fast) allen großen deutschspr­achigen Bühnen beruflich zu Hause war, trumpft als Maria Stuart auf. Sprechtech­nisch, darsteller­isch. Mit einem Lied auf den Lippen erzählt sie von ihrer 19jährigen Haft, von ihrem Machtbewus­stsein, von der Hoffnung auf Aussöhnung, Begnadigun­g und lässt dabei Anflüge von Stolz aufblitzen. Schiller im Schnelldur­chgang funktionie­rt trotzdem nicht.

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Schiller im Schnelldur­chgang: Elisabeth Rath als Maria Stuart, Sandra Cervik als Elisabeth APA

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