„Jerusalem?
Mehrere Tote und Hunderte Verletzte, das ist die Bilanz der Unruhen nach Trumps Jerusalementscheidung. Aber wie ist die Stimmung in der Stadt selbst? Ein Augenschein.
Es ist ein sonniger Wintertag in Jerusalem. In Zeiten wie diesen sind das schlechte Nachrichten. Denn im Gegensatz zu den Vortagen treiben weder Wind noch Regen die wütenden palästinensischen Demonstranten zurück in ihre Häuser. In der ganzen Region können Araber ihrer ohnmächtigen Wut über die Entscheidung von Us-präsident Donald Trump, Jerusalem als Israels Hauptstadt anzuerkennen und die Us-botschaft dorthin zu verlegen, freien Lauf lassen. In Amman, Kairo, Bagdad gehen Zehntausende auf die Straße.
Und natürlich auch in Jerusalem. Auf der überwiegend jüdischen Westseite ist von Spannung wenig zu spüren. Im Gegensatz zu den Tempelbergunruhen im Sommer, als Attentate und gewaltvolle Zusammenstöße an der Tagesordnung waren, scheinen die Menschen entspannt. Die radikalislamische Hamas hat zwar zur Intifada aufgerufen. Touristen und jüdische Israelis schlendern aber scheinbar sorglos durch die Mamilla-einkaufsmeile vor dem Jaffator der Jerusalemer Altstadt: „Wir haben schon viel schlimmere Zeiten durchgemacht“, sagt Kiril, ein junger Israeli, der mit seiner Freundin Ira aus einem Kaffeehaus tritt. „Uns beeindrucken die Drohungen nicht.“Doch seine Partnerin gesteht, dass sie sich „ein wenig misstrauischer“umschaue. Sie ist nicht die Einzige, die sich vor Attentaten fürchtet: Die Tische der schicken Cafés sind weniger besetzt als sonst: „Wir haben 30 Prozent weniger Kundschaft als gewöhnlich“, sagt der Verantwortliche der Bäckerei Roladin. m Freitagabend strömen mit Ende des Freitagsgebets Zehntausende Muslime vom Tempelberg. Es war ihnen wichtig, ihre Solidarität mit dem Ort zu bekunden, auf dem sich die Al-aksa-moschee befindet, der drittheiligste Ort des Islam, sagt Muhammad, ein älterer Herr.
Es scheint ruhig. Die israelische Polizei ist bemüht, zu deeskalieren. Noch vor wenigen Monaten trat sie in der Altstadt mit massiver Präsenz auf, um der Lage Herr zu werden. Muslime mussten Checkpoints passieren, ehe sie zu ihrem Heiligtum gelassen wurden. Diesmal sagt Islam al-reisch, ein 27-jähriger Bauarbeiter: „Ich wurde auf dem Weg zur Moschee kein einziges Mal kontrolliert.“
Die älteren Männer verlassen den Berg zuerst. Ruhig schrei-
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