Krimi um van Goghs Tod,grandios ausgemalt
Nächste Haltestelle: Oscar? Mit ihrem Krimi um Vincent van Gogh schufen die polnische Künstlerin Dorota Kobiela und ihr britischer Gemahl Hugh Welchman einen außerordentlichen Film. Bei uns kommt „Loving Vincent“am 28. Dezember ins Kino. Vorab erzählt Hugh Welchman, worum es geht.
Was soll der Titel „Loving Vincent“andeuten?
HUGH WELCHMAN: Dass dies ein Film der Liebe war. Erst lernte ich die polnische Künstlerin Dorota Kobiela kennen und liedas ben. Dann verliebte ich mich in ihr Lieblingsprojekt über Vincent van Gogh. Und am Ende verliebte ich mich auch noch in dessen Bilder, mit denen ich mich vorher kaum befasst hatte.
Sie haben für „Loving Vincent“eine total neue Kunstform gewählt, auf Englisch: painting animation. Wie ist das zu verstehen? Es ist der erste völlig aus Ölgemälden erschaffene Film. Wir haben 77 Gemälde von van Gogh nahe am Original rekreiert, dazu 31, die im Wesentlichen übereinstimmen. 125 Künstler aus mehreren Ländern haben an mehr als 65.000 Einzelbildern gearbeitet, um den neu gefertigten Bildern die Gesichtszüge unserer Darsteller zu verleihen. Zugleich sollten deren Charaktere das unverkennbare Aussehen und Gefühl von van Goghs Gemälden vermitteln. Jedes Einzelbild wurde schließlich mit einer Canon-6ddigitalkamera mit einer Auflösung von 6 K aufgenommen. Im Kino läuft der Film mit zwölf Einzelbildern pro Sekunde. Normalerweise sind es 24 bis 25.
Warum braucht ein Animationsfilm überhaupt Darsteller? Weil wir keine Doku machen wollten. Das wäre uns nicht filmisch und episch genug gewesen. Für seine Bilder hat van Gogh ja stets mit Menschen gearbeitet. Das wollten auch wir.
Nun gibt es eine Spielhandlung, in der van Goghs angeblicher Selbstmord in Zweifel gerät. Wie kamen Sie auf die Story?
Meine Frau Dorota hatte schon Vorarbeit geleistet, bevor wir einander trafen. Sie wollte seit ihrem Abschluss an der Kunsthochschule ein Van-gogh-projekt verwirklichen. Inspiration waren ihr vor allem van Goghs Briefe. Dazu kamen jede Menge Statements verschiedenster Leute nach seinem Tod. Wir begannen mit fast detektivischen Investigationen zu dessen Umständen. Dabei stellten wir uns immer wieder die Frage: Wer sagte die Wahrheit? Wer hat gelogen? So formte sich langsam eine Spielhandlung.
Was gehörte noch zu den Vorbereitungsarbeiten? Lesen von 40 Publikationen. Biografien, wissenschaftlichen Beiträgen, fiktionalen Arbeiten, der Besuch von 19 Museen in sechs Ländern, die Besichtigung von über 400 Bildern. Vom Van-gogh-museum in Amsterdam erhielten wir lobenswert starke Unterstützung.
Europäischer Filmpreis für den besten Animationsfilm: Wundern muss man sich darüber nicht. Die Sensationsproduktion „Loving Vincent“ist der erste „gemalte Film“.
So viel und so lange Arbeit mit der Person Vincent van Gogh. Hat er Sie inzwischen „verlassen“? Nein. In meinen Träumen taucht er noch immer auf.
Machen Sie im „painting weiter?
Wir planen einen Horrorfilm nach den Gemälden von Francisco de Goya. Da gibt es genug furchterregende Motive.
animation“-stil
Sie erhielten für die filmische Version von Prokofjews „Peter und der Wolf“den Oscar, mit „Loving Vincent“müssten Sie und Ihre Frau nach dem Europäischen Filmpreis nun zum Favoritenkreis für den Oscar 2018 zählen. Was sagen Sie dazu?
Ich sage nichts, sondern drücke. Nämlich uns die Daumen.