Den Schmerz besiegt, die Welt gleich mit
Wären im Zielraum von Gröden in Ermangelung an Sitzplätzen nicht ohnehin alle gestanden, sie hätten sich erhoben. Und jeder, egal ob Zuschauer, Konkurrent oder Journalist, klatschte, als Aksel Lund Svindal im Ziel zu einer improvisierten Ehrenrunde ansetzte. Es muss wohl auch dem 34-Jährigen schon klar gewesen sein, dass er an diesem Tag nicht mehr zu schlagen sein wird. Svindal feierte den sechsten Sieg in Gröden, den zweiten in der Abfahrt. Und auch den zweiten Saisonsieg in der Abfahrt. „Es kommt nicht oft vor, dass man so eine Fahrt nahe an der Perfektion sieht“, lobte da selbst Ösv-sportdirektor Hans Pum. Einzig bei Landsmann Kjetil Jansrud musste er zittern, denn der war ähnlich perfekt unterwegs und verlor letztlich doch 0,59 Sekunden auf seinen Landsmann, sorgte aber so für das norwegische Doppel. Und Max Franz, im Vorjahr der Sieger in Gröden, rettete mit dem dritten Platz die österreichische Ehre, war damit der Dritte und Letzte, der weniger als eine Sekunde auf Svindal verlor.
Das an sich mag ja nicht die große Überraschung sein. Sondern eher, dass Svindal trotz
Aksel Lund Svindal bleibt ein Phänomen: Trotz seiner Knieprobleme siegte er in Gröden, Max Franz kam als Dritter wieder aufs Podest.
seiner Knieprobleme schon den zweiten Abfahrtssieg in Serie feierte. Probleme, die sich mit dem Rückflug aus den USA verstärkt hatten. Keinen Tag war er zwischen den Rennen in Colorado und Gröden auf Ski, zu groß war die Schwellung im Knie, zu stark die Schmerzen. Selbst in den Trainings musste er sich zurücknehmen, einige spekulierten gar damit, dass er nicht rennfahren kann. Doch er konnte – und wie. Vielleicht auch beflügelt von der Anwesenheit seiner neuen Freundin Gitte Lill Paulsen im Ziel.
„Im Rennen“, dozierte er, „kommt eben das Adrenalin dazu. Und das hilft dabei, den Schmerz nicht zu spüren.“Zur Sicherheit hatte er diesmal aber auch ein Schmerzmittel genommen, eher aus psychologischen Gründen: „Weil man dann nicht gleich beim Abstoßen aus dem Starthaus Schmerzen hat – die vergisst man sonst nämlich nicht so schnell.“Diesmal vergaß er – etwa darauf, dass jede Landung nach den vielen Sprüngen höllisch schmerzt. „Das ist mir gelungen, ich war in der Luft ruhig und hab nicht schon ängstlich gerudert wie im Training.“Da umfuhr er gar den letzten Sprung im zweiten Zeitlauf. „Das war gescheit und hat geholfen.“Dabei, einen fast perfekten Lauf abzuliefern. „Aber“, sagte Svindal, „ganz perfekt war es nicht, Kjetil war oben ja schneller. Aber ich habe keine Fehler gemacht – und das braucht es da herunter eben auch.“Der Lohn für den Mann mit dem kaputten Knie: Die Führung im Gesamtweltcup, auch wenn die nicht lange halten wird. Denn die Rennen in Alta Badia samt Parallel-rtl lässt er aus, gönnt sich stattdessen Weihnachten in der Heimat.