Kleine Zeitung Steiermark

Zur Autorin

- Valerie Fritsch,

nicht gehen, aber schwimmen kann, quietschve­rgnügt einen Eiszapfen als Lutscher in der Hand. Auf Bäume, deren erhobene Äste das Weiß wie auf Armen tragen, und Fahrzeuge, die mit aufgetürmt­en Häubchen durch die Stadt rutschen. Schneeball­schlachten und Iglu- Flöckchen und Weißröckch­en, Schlittenf­ahrten und Dachlawine­n en miniature. Schneite es tatsächlic­h, gab es kurz, ganz kurz, Begeisteru­ng für den erwarteten Schnee, gefolgt vom langen Entsetzen über seine überrasche­nden Eigenschaf­ten, die nass, schmutman

Lgeboren am 14. Mai 1989 in Graz, ist Schriftste­llerin und Fotokünstl­erin. Ihr erster Roman

„Die Verkörperu­ngen“erschien 2011. Mit ihrem Roman „Winters Garten“(2015, Suhrkamp) schaffte sie den literarisc­hen Durchbruch. zig und spät machten. Wie immer kam erst der Wunsch, und mit ihm seine Verwünschu­ng.

Laut war es in der leisen Zeit. Außen und innen drin. Die schlechten Nachrichte­n wurden schlechte Gewohnheit­en. Es herrschte Sturm und Drang auf den Straßen. Der Lärm tobte. Wer nicht drängelte, kaufte noch nicht, und wer nicht kaufte, verstand zu wenig von Besinnlich­keit. Rüpelige Heerschare­n auf der Suche nach dem einen Ding oder dem anderen übernahmen die Geschäfte, strömten durch die Gassen, taumelten in Geschenkpa­pier verwickelt durch die Straßenbah­nen, als hätte man den Wahnsinn losgelasse­n. Wer hielt da Rückschau auf das zu Ende gehende Jahr. Wer denkt da nach über die Ereignisse und die Versäumnis­se, wer hat Zeit für die Vorsätze für das neue und die Nachsätze zum alten Jahr. Wem gelingt das Stillsein und wem das Schöne. eicht konnte man einsam werden oder einsam bleiben in diesen kurzen Tagen. Die Wolken in der Dämmerung verwechsel­te man allzu leicht mit riesenhaft­er Zubaupläne, ckerwatte. Die Finsternis kam schon mit dem Nachmittag, brachte eine frühe Nacht, verwirrte die innere Uhr, dass man sich abends längst jenseits der Mitternach­t wähnte. Die Verknappun­g des Lichts scheint Vorbereitu­ng auf das Fest und macht gierig auf seinen Schein. Heute endlich wird das Dunkle gelegen kommen als Ritual, wird die erleuchtet­en Fenster und die erleuchtet­en Kinderauge­n rahmen und besonders sichtbar machen, wird noch den scheusten Glanz und Schimmer aus den Ecken und den Menschen gleißen lassen. Am Himmel werden die Zimtsterne und im schummrige­n Wohnzimmer die Sternsprit­zer sprühen. In jedem Haus wird ein Baum blühen und wären die Mauern unsichtbar in diesen Stunden, stünde man in einem einzigen geschmückt­en Wald. Unter Kerzensche­in wird eine immerfremd­e Geschichte auf die stets selbe Art und Weise wie zu jedem Fest erzählt werden. Man wird heimgekehr­t sein und zusammenge­funden haben. Für dieses Nachhausek­ommen an zumindest einem Tag im Jahr und die schöne Bescherung, bei der man sich als Familie traditione­ll in die Arme oder in den Rücken fällt, ist man nie zu alt.

Überall auf der Welt zieht es die Menschen auf gewundenen Wegen die Erdkrümmun­g entlang zu jenen Orten, die, dem Herzen nach, unabdingba­r eine gute Herberge für die eigene Existenz sind. Wer Glück hat, wird heute angekommen sein unter einem solchen Dach, wer nicht, wird vielleicht nur daran denken.

 ??  ?? Heute: Valerie Fritsch
Heute: Valerie Fritsch
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria