Der „Beginn der Welt“für eine kleine Stadt
Es ist das einzige Geburtshaus der Steiermark: In Graz-gösting führt Hebamme Kornelia Müller die Tradition ihrer Mutter Monika Felber fort.
Das Fest der Geburt Christi ist ein Tag wie jeder andere im Geburtshaus – denn Babys halten wenig davon, sich schon als Ungeborene an ihren ersten Termin halten zu müssen. Heuer erwartet man noch zwei Babys, und die werden sich selber aussuchen, wann sie auf die Welt kommen. „Christkindln hatten wir natürlich schon etliche“, lächelt Monika Felber (69). Die Zahl der Kinder, die die Hebammenlegende auf die Welt gebracht hat, liegt zwischen 6500 und 7000. „Ich sage immer, es ist eine kleine Stadt.“Weitere 3000 Geburten begleitete dazu ihre Tochter Kornelia Müller (51), die seit 1986 als Hebamme arbeitet.
Einige der „Kleinstadtbewohner“sind im Sanatorium auf die Welt gekommen, die meisten aber in einer ganz besonderen Umgebung: im Geburtshaus, das Müller nun nach Felbers Pensionierung als Hebammenpraxis Gösting übernimmt.
Der „Beginn der Welt“(so nannte es ein dreijähriger Bub, als ihm seine Mama seinen Geburtsort zeigte) liegt in einer wunderschönen rosenumrankten Jugendstilvilla im Grünen am Stadtrand. Das Haus hat Felber vor 27 Jahren gekauft – als eigenes Wohnhaus, aber auch als privates Geburtshaus, eine von einer Hebamme geleitete, Kornelia Müller setzt die 27-jährige Tradition ihrer Mutter fort
selbstständige außerklinische Geburtseinrichtung als Alternative zu Klinik oder Hausgeburt.
Herz des Hauses ist das „Empfangszimmer für Babys“, der Geburtsraum. Ein helles, großes Zimmer mit Bett und großer Geburtsbadewanne. „Bei uns sind aber schon in jedem Zimmer Kinder auf die Welt gekommen. In den Betten, aber auch hier am Boden auf einer Matte“, deuten die beiden auf den Wohnzimmerteppich, neben dem im Kamin ein Feuer flackert. Immer wieder haben es Gebärende auch nicht bis ins Haus geschafft. „Während ich zum Parkplatz gelaufen bin, ist das Kind schon im Auto auf die Welt gekommen“, erinnert sich Felber an eines der Babys, die es ganz besonders eilig hatten. Sie wickelte es ins Leiberl der Mutter und brachte beide ins Haus.
Nicht alle Mütter, die die Hebammen vor oder nach der Entbindung betreuen, bekommen ihre Kinder im (oder halt auch vor dem) Geburtshaus. Für manche ist die geborgene, doch aus medizinischer Sicht ungeschützte Umgebung einfach nicht das Richtige, manche kommen auch aus den falschen Beweggründen wie der Angst vor dem Krankenhaus. Andere müssen aus gesundheitlichen Gründen, etwa bei Risikoschwangerschaften, abgewiesen werden.
Bei allen, für die eine Entbindung ohne anwesenden Arzt infrage kommt, stärken die Hebammen das Vertrauen in die Geburt auf natürlichem Weg, „der einzige Schmerz mit einem schönen Ergebnis“, wie Felber sagt. Sie machen Frauen Mut, sich das zuzutrauen. Statt auf Kreuzstich und schwere Schmerzmittel setzen sie auf Natur. Akupunktur, Atem- und Entspannungstechniken, Hypnose oder die „Geburtshormone“Oxytocin und Endorphin, die ihre positive Wirkung nur in Wohlfühl-umgebung entfalten. Sollten Komplikationen auftreten – „wir haben da mit unserer Erfahrung schon fast einen sechsten Sinn“, sagt Felber –, geht es aber ins Krankenhaus.
Die werdenden Mütter, die zu den Hebammen kommen, „wollen nicht, dass mit ihnen etwas gemacht wird, das sie nicht wollen“. Sie suchen einen geschützten Raum, fernab von Krankenhaushektik, Klinikgerüchen, Personal im Schichtbetrieb und Besucherwirbel. Stille.