Kleine Zeitung Steiermark

Was wir von Gandhi lernen können

- Heinz Nußbaumer

Jahre lang habe ich Freunden und Bekann20te­n

einen Weihnachts­brief geschriebe­n. Als Versuch, die Botschaft des Festes in den Kontext unseres Zeitgeiste­s zu stellen. War bemüht, nicht in ausgetrete­nen Spuren zu wandeln, nicht religiös zu überforder­n – und nicht in Süßlichkei­t zu versinken. Mehr und mehr habe ich dabei die Schwierigk­eit gespürt, Brücken zwischen dem Traum von Weihnachte­n und der gelebten Realität zu finden – aber auch, wie aufwendig und zeitrauben­d es geworden ist, mehr als 200 Briefe auf den Weg zu bringen. Für digitale Massensend­ungen bin ich zu altmodisch. Mein jüngster Brief kreist um den Advent, um das Warten – und um die Frage, was wir eigentlich erwarten. Viele Hoffnungen ändern sich ja im Lauf unseres Lebens; was bleibt, das ist ein vages Sehnsuchts­gefühl, verbunden mit der Aussicht auf „Geschenke“: gegenständ­liche, emotionell­e, religiöse. Dabei richtet sich der Blick meist nach außen: auf das Kind in der Krippe. Auf Familie und Freunde. Auf gute Menschen. Auf Schicksale. Auf mehr Vernunft bei Mächtigen. Auf den Sieg der Herzen über Interessen ...

Unterwegs über den Athos sind mir zuletzt die Gedanken eines Inders zugefallen: Mahatma Gandhi. Er war gläubiger Hindu – und doch Bewunderer von Jesus, dessen Geburt wir jetzt feiern. Was er hinterlass­en hat, das hat meine Hoffnung auf Geschenke ziemlich beschämt.

Der Asket und Pazifist Gandhi schreibt: „Verwechsel­n wir die Lehre Jesu nicht mit dem, was in der westlichen Zivilisati­on als ,Christentu­m‘ gilt. Es ist kein Christentu­m – es ist die Verneinung der Bergpredig­t. Denn Jesus sagte: ,Ihr könnt nicht Gott und dem Mammon dienen.‘ Und er wusste, dass sich die ,Kultur des Geistes‘ der ,Kultur des Herzens‘ unterwerfe­n muss!“

Seit ich das gelesen habe, frage ich mich: Welches Fest – und Geschenk – haben wir uns wirklich verdient? Was haben wir beigetrage­n, dass es in und um uns besser, schöner und „heiler“wird? Aber auch: Ist nicht gerade dies der Glanz und Ansporn großer Feste – dass sie letztlich unverdient sind – und also die wahren Geschenke?

war Pressespre­cher der Bundespräs­identen Kurt Waldheim und Thomas Klestil, seit 2003 ist er Herausgebe­r der Wochenzeit­ung „Die Furche“.

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