Zur Person
Schon Aristoteles reflektierte darüber, was es heißt, das richtige Maß zu finden, und brachte ein wunderbares Beispiel. Das richtige Maß ist, wenn man auf der Mitte der Straße bleibt. Die Mitte der Straße wird aber nur erreicht, indem man einmal links und dann rechts in den Straßengraben fällt. Statistisch gesehen bleibt man so auf der Mitte. Das heißt, Menschen un- Ja, aber das hört niemand gern, weil Menschen Träume haben, und zu diesen Träumen gehört das Paradies. Interessant an diesem Satz ist das „müssen“.
Besser wäre: sollten?
Wir könnten. Wir könnten es aber auch lassen, weil Sisyphos kein glücklicher Mensch ist, sondern nur seinen Job macht, und der besteht darin, den Stein hinaufzutragen und hinunterrollen zu sehen. Das ist eigentlich die Beschreibung des menschlichen Lebens. Wir sind dabei nicht glücklich und das ist auch kein Problem. Zum Problem wird es, wenn wir glauben, wir müssten glücklich sein.
Wenn wir nicht glücklich sind, bedeutet dies ja noch nicht, dass wir unglücklich sind.
Ich bin froh, dass ich mir den größten Teil meines Lebens keine Gedanken darüber gemacht
geboren 1953 in Billenhausen, zählt zu den bedeutendsten Philosophen im deutschsprachigen Raum. Der Bestsellerautor mit dem Schwerpunkt Lebenskunst lebt in Berlin und lehrt Philosophie an der Universität Erfurt.
Seine Bücher sind in mehr als 18 Sprachen übersetzt. habe, ob ich glücklich bin oder nicht. Das war niemals eine Kategorie, weil ich das von meinen Eltern so gelernt habe. Sie hatten ein schwieriges Leben, sie hatten eine kleine Landwirtschaft, von der sie sechs Kinder ernähren mussten. Die glücklichsten Menschen, die ich in meinem Leben getroffen habe, waren meine Eltern. Sie haben einfach ihre Arbeit getan, ihre Kinder geliebt, ohne je zu fragen, ob sie glücklich sind.
Die Erfüllung einer Aufgabe führt zu einem erfüllten Leben? Es vermittelt Erfüllung. Wie das Erziehen von Kindern, Beziehungen. Beziehungen zeigen, was der Unterschied zwischen Glück und Sinn ist. In der Beziehung zu Kindern oder zum Partner kann man nicht pausenlos glücklich sein, es gibt Ärger, Streit. Warum führt man sie trotzdem fort? Weil man einen Sinn darin sieht. Sinn ist viel dauerhafter als Glück.
Sie beschreiben auch das Glück der Fülle, das von der geistigen Haltung gegenüber dem Leben abhängt, und beschreiben es als ein Atmen zwischen den Polen des Positiven und Negativen. Wie erreicht man dieses Glück?
Es reicht die Überlegung, ob das Leben nur aus Lüsten oder auch aus Ärger, aus Erfolg oder auch aus Misserfolg besteht. Wie wäre mein Leben, wenn ich 365 Tage im Jahr nur Freude hätte? Dann leuchtet der Sinn des Gegensatzes ein. Dass ich dadurch das Positive erst schätzen kann, und abschaffen kann ich das Negative ohnehin nicht. Wenn ich das akzeptiere, kann ich mit dem Leben vollkommen einverstanden sein. Das macht übrigens auch beziehungsfähiger. Auf gute Laune folgt eine schlechte, das ist ein Ein- und Ausatmen. Die Frage ist, ob ich mitatmen oder nur einatmen und dann die Luft anhalten will.
Wer mitatmet, wird heiter und gelassen?
Das ist das Glück, das jeder erreichen kann. Es besteht nicht mehr darin, die Hälfte des Lebens auszuschließen und bei Krankheit, Streit überrascht zu sein. Das ist das Problem der angeblich glücklichen Menschen. Sie müssen sich selbst gegen Freunde abschotten, die einmal nicht gut drauf sind. Sie sagen dann: Du ziehst mich runter. Wer will aber in dieser Abschottung leben?
Anstelle von Abschottung raten Sie zum Gefühl heiterer Gelassenheit. Was zeichnet diese aus? Sie ist eine geistige Haltung, die der Fröhlichkeit ebenso viel Bedeutung zumisst wie der Traurigkeit. Heitere Gelassenheit ist das Bewusstsein davon, dass in allem, was ist, auch noch etwas anderes möglich ist, dass Höhen und Tiefen sich abwechseln wie das Ein- und Ausatmen.
Auf der Suche nach dem Glück. Erhältlich in den Büros der Kleinen Zeitung