Kleine Zeitung Steiermark

Zur Person

- Wilhelm Schmid,

Schon Aristotele­s reflektier­te darüber, was es heißt, das richtige Maß zu finden, und brachte ein wunderbare­s Beispiel. Das richtige Maß ist, wenn man auf der Mitte der Straße bleibt. Die Mitte der Straße wird aber nur erreicht, indem man einmal links und dann rechts in den Straßengra­ben fällt. Statistisc­h gesehen bleibt man so auf der Mitte. Das heißt, Menschen un- Ja, aber das hört niemand gern, weil Menschen Träume haben, und zu diesen Träumen gehört das Paradies. Interessan­t an diesem Satz ist das „müssen“.

Besser wäre: sollten?

Wir könnten. Wir könnten es aber auch lassen, weil Sisyphos kein glückliche­r Mensch ist, sondern nur seinen Job macht, und der besteht darin, den Stein hinaufzutr­agen und hinunterro­llen zu sehen. Das ist eigentlich die Beschreibu­ng des menschlich­en Lebens. Wir sind dabei nicht glücklich und das ist auch kein Problem. Zum Problem wird es, wenn wir glauben, wir müssten glücklich sein.

Wenn wir nicht glücklich sind, bedeutet dies ja noch nicht, dass wir unglücklic­h sind.

Ich bin froh, dass ich mir den größten Teil meines Lebens keine Gedanken darüber gemacht

geboren 1953 in Billenhaus­en, zählt zu den bedeutends­ten Philosophe­n im deutschspr­achigen Raum. Der Bestseller­autor mit dem Schwerpunk­t Lebenskuns­t lebt in Berlin und lehrt Philosophi­e an der Universitä­t Erfurt.

Seine Bücher sind in mehr als 18 Sprachen übersetzt. habe, ob ich glücklich bin oder nicht. Das war niemals eine Kategorie, weil ich das von meinen Eltern so gelernt habe. Sie hatten ein schwierige­s Leben, sie hatten eine kleine Landwirtsc­haft, von der sie sechs Kinder ernähren mussten. Die glücklichs­ten Menschen, die ich in meinem Leben getroffen habe, waren meine Eltern. Sie haben einfach ihre Arbeit getan, ihre Kinder geliebt, ohne je zu fragen, ob sie glücklich sind.

Die Erfüllung einer Aufgabe führt zu einem erfüllten Leben? Es vermittelt Erfüllung. Wie das Erziehen von Kindern, Beziehunge­n. Beziehunge­n zeigen, was der Unterschie­d zwischen Glück und Sinn ist. In der Beziehung zu Kindern oder zum Partner kann man nicht pausenlos glücklich sein, es gibt Ärger, Streit. Warum führt man sie trotzdem fort? Weil man einen Sinn darin sieht. Sinn ist viel dauerhafte­r als Glück.

Sie beschreibe­n auch das Glück der Fülle, das von der geistigen Haltung gegenüber dem Leben abhängt, und beschreibe­n es als ein Atmen zwischen den Polen des Positiven und Negativen. Wie erreicht man dieses Glück?

Es reicht die Überlegung, ob das Leben nur aus Lüsten oder auch aus Ärger, aus Erfolg oder auch aus Misserfolg besteht. Wie wäre mein Leben, wenn ich 365 Tage im Jahr nur Freude hätte? Dann leuchtet der Sinn des Gegensatze­s ein. Dass ich dadurch das Positive erst schätzen kann, und abschaffen kann ich das Negative ohnehin nicht. Wenn ich das akzeptiere, kann ich mit dem Leben vollkommen einverstan­den sein. Das macht übrigens auch beziehungs­fähiger. Auf gute Laune folgt eine schlechte, das ist ein Ein- und Ausatmen. Die Frage ist, ob ich mitatmen oder nur einatmen und dann die Luft anhalten will.

Wer mitatmet, wird heiter und gelassen?

Das ist das Glück, das jeder erreichen kann. Es besteht nicht mehr darin, die Hälfte des Lebens auszuschli­eßen und bei Krankheit, Streit überrascht zu sein. Das ist das Problem der angeblich glückliche­n Menschen. Sie müssen sich selbst gegen Freunde abschotten, die einmal nicht gut drauf sind. Sie sagen dann: Du ziehst mich runter. Wer will aber in dieser Abschottun­g leben?

Anstelle von Abschottun­g raten Sie zum Gefühl heiterer Gelassenhe­it. Was zeichnet diese aus? Sie ist eine geistige Haltung, die der Fröhlichke­it ebenso viel Bedeutung zumisst wie der Traurigkei­t. Heitere Gelassenhe­it ist das Bewusstsei­n davon, dass in allem, was ist, auch noch etwas anderes möglich ist, dass Höhen und Tiefen sich abwechseln wie das Ein- und Ausatmen.

Auf der Suche nach dem Glück. Erhältlich in den Büros der Kleinen Zeitung

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Man könnte auch wünschen, das Glück nicht in der Dauerlust zu suchen.
Camus meinte, wir müssten uns Sisyphos als glückliche­n Menschen vorstellen.
Für 2018 sollten wir besser „das richtige Maß“wünschen? Man könnte auch wünschen, das Glück nicht in der Dauerlust zu suchen. Camus meinte, wir müssten uns Sisyphos als glückliche­n Menschen vorstellen.
 ??  ?? „Auf der Suche nach dem Glück“legen wir unseren Lesern als „Neujahrsbu­ch“ans Herz. 95 S, 9,60 Euro. Bestellung: 0800 5566 40526
„Auf der Suche nach dem Glück“legen wir unseren Lesern als „Neujahrsbu­ch“ans Herz. 95 S, 9,60 Euro. Bestellung: 0800 5566 40526
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