Als Europa neu vermessen wurde
niens zählten zur ungarischen Hälfte der Doppelmonarchie.
1919 zeigt uns die politische Landkarte ein 1917 entstandenes Finnland, die 1918 entstandenen Staaten Estland, Lettland und Litauen, ein ebenso 1918 entstandenes Polen, ein 1919 bis 1921 existierendes Weißrussland, einen 1917 bis 1920 bestehenden ukrainischen Staat, die 1918 entstandene Tschechoslowakei, das neue Österreich und das neue Ungarn sowie den Staat der Serben, Kroaten und Slowenen (das spätere Jugoslawien) und ein wesentlich vergrößertes Rumänien, dazu ein verkleinertes Bulgarien. Griechenland und die Türkei sollten noch etliche Jahre um die Grenzziehung streiten, ein Streit, der letztlich in einem Be- völkerungstausch, einer ethnischen Säuberung, ihr problematisches Ende fand.
Über ein Dutzend neuer Staaten war also entstanden, viele davon ohne demokratische Traditionen, manche mit unsicheren Grenzen und einige nur auf Zeit. Die Gründe dieser Entstehungsprozesse waren vielfältig. Das ging von tatsächlichen nationalen Selbstbestimmungswünschen bis hin zu den Interessen der Siegermächte, vor allem Frankreichs. Es schien den Siegermächten opportun, einen „cordon sanitaire“um das revolutionäre Russland zu legen, gleichzeitig aber auch darum, Deutschland zu schwächen und mit politischen Partnern im Osten des Erzfeines gleichsam in die Zange zu nehmen und so machtpolitisch unter Kontrolle zu halten. Ob die Staaten überlebensfähig waren, ob die neuen Grenzen den Heilsversprechungen des amerikanischen Präsidenten Wilson in seinen 14 Punkten auch nur einigermaßen entsprachen, ob es eine Basis für eine demokratische Entwicklung in den jeweiligen neuen politischen Gebilden gab, all das war den machtpolitischen Großinteressen nachgereiht.
Die Entstehung dieses Staatengürtels war möglich geworden, weil es im Osten von Deutschland und der Habsburgermonarchie keine große Siegermacht im Ersten Weltkrieg gegeben hatte. Russland war durch die Oktoberrevolution als Verbündeter der Entente ausgefallen und hatte schon im Friedensvertrag von Brest-litowsk zwischen Deutschland und den Bolschewiki seinen Einfluss in Zentraleuropa verloren. Die Demokratien des Westens hatten die Bolschewiki auch rasch als die größte Bedrohung der Zukunft identifiziert. Aber man konnte natürlich auch Deutschland in dieser Region keine territorialen und machtpolitischen Zugeständnisse machen. Und die Habsburgermonarchie war implodiert. Dieses Machtvakuum erlaubte die Gründung eines Staatengürtels, in dem sich in den Folgejahrzehnten die Tragödie des 20. Jahrhunderts besonders dramatisch entfalten sollte. Die „bloodlands“waren zwei Jahrzehnte nach den Staatengründungen der zentrale Schauplatz der Vernichtung der großartigen jüdischen Kultur, die unseren Kontinent so entscheidend mit geformt hatte.
Nicht nur aus der Konkursmasse des Habsburgerreiches bildeten sich neue Staaten. Die Landkarte des Kontinents musste nach dem Schicksalsjahr 1918 neu gezeichnet werden.
Im Raum um die Ostsee war bis zum Ersten Weltkrieg Russland die dominierende Macht, die über Finnland, die baltischen Staaten und große Teile Polens
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