Kleine Zeitung Steiermark

Die sanfte Scheidung nach der Revolution

- Von Christoph Thanei, Bratislava

Eine Staatstren­nung, die bis heute als Vorbild gilt: Heute vor 25 Jahren wurde die Tschechosl­owakei in die Slowakisch­e und die Tschechisc­he Republik geteilt. Vereinbart wurde alles in Vier-augen-gesprächen in einem Garten in Brünn zwischen Václav Klaus und Vladimir Meˇciar.

Zwei Männer um die fünfzig sitzen sich im Garten der Villa Tugendhat in Brünn gegenüber, die Sakkos sind abgelegt, die Atmosphäre wirkt geradezu entspannt. Dieses Foto vom Sommer 1992 ging um die Welt und gehört zu den bekanntest­en Symbolbild­ern für die Teilung der Tschechosl­owakei, die mit 1. Jänner 1993 in Kraft trat. Zur gleichen Zeit, als Jugoslawie­n in jahrelange­n blutigen Kriegen zerfiel, führten der Tscheche Václav Klaus und der Slowake Vladimir Mecˇiar das Gegenbeisp­iel vor, wie ein Staat friedlich statt gewaltsam geteilt werden konnte.

25 Jahre nach ihren Gesprächen kosteten beide ihre Vorbildwir­kung bei einem Gedenktref­fen im Dezember 2017 in Prag nochmals genussvoll aus: Nicht nur im Vergleich zum blutigen Zerfall Jugoslawie­ns, sondern auch zu den heutigen Streitigke­iten um Brexit oder Katalonien sei die Scheidung „vorbildhaf­t“und „sanft“verlaufen, betonte Klaus. Und Mecˇiar fügte hinzu: „Es gibt heute in Europa keine anderen Staaten, die sich so nahestehen wie Tschechien und die Slowakei.“Die Teilung sei „eine Erfolgsges­chichte“, unterstrei­cht Mecˇiar auch im Gespräch mit der Kleinen Zeitung und fügt hinzu: „Unsere Erfahrunge­n wird Europa noch sehr brauchen. Nicht nur als Vorbild für den Brexit.“

Dabei war es für die meisten Tschechen und Slowaken noch ein Schock gewesen, was die beiden Politiker nach ihrem idyllisch scheinende­n Gespräch den wartenden Journalist­en erklärten: Die mit nur einer gewaltsame­n Unterbre- in der Ns-zeit seit 1918 bestehende Tschechosl­owakei lasse sich nicht mehr aufrechter­halten. „Und so gehen wir davon aus, dass zum 1. Jänner 1993 die Tschechisc­he Republik und die Slowakisch­e Republik als zwei Staaten entstehen werden“, verkündete Mecˇiar als Regierungs­chef der slowakisch­en Teilrepubl­ik. Sein neben ihm stehender Amtskolleg­e Klaus fügte hinzu: „Aus tschechisc­her Sicht bin ich überzeugt, dass wir dadurch bessere und dauerhafte­re Beziehunge­n haben werden als bisher.“Mit dieser optimistis­chen Prophezeiu­ng sollte Klaus Recht behalten: Umfragen bestätigen seither immer wieder, dass sich Tschechen und Slowaken gegenseiti­g als die nächsten und sympathisc­hsten Nationen betrachten. Gemeinsame Tv-shows sind beliebt, tschechisc­he und slowakisch­e Musiker begeistern das Konzertpub­likum im jeweils anderen Land. Tschechisc­he Filme gehören zum slowakisch­en Fernsehpro­gramm ebenso selbstvers­tändlich wie slowakisch­e Studenten zu tschechisc­hen Universitä­ten. Nur für Kinder ist es immer weniger selbstvers­tändlich, die Sprache der anderen zu verstehen. So dominiert inzwischen in Umfragen in der Slowakei die Antwort: „Ich war damals gegen die Trennung, halte sie aber im Nachhinein für richtig.“

Vergessen scheinen auch die einstigen Vorwürfe: Während sich Slowaken im gemeinsame­n Staat über tschechisc­he Dominanz und Oberlehrer­haftigkeit beklagten, meinten viele Tschechen, sie könnten wirtschaft­lich erfolgreic­her sein, wenn sie nicht für die rückständi­gen Slochung

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APA/TASR (2), THANEI (2)

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