Kleine Zeitung Steiermark

Gefährlich­es Zündeln im Iran

- Martin Gehlen

Zündeln ist gefährlich, schnell kann sich ein kleines Feuer zum verheerend­en Flächenbra­nd weiten. Das mussten auch Irans Hardliner erleben, als sie vorige Woche mit ein paar gezielten lokalen Protesten in Maschhad die Unzufriede­nheit mit der Regierung schüren wollten. Doch binnen Tagen erwuchs daraus eine seit vielen Jahren beispiello­se Welle an Demonstrat­ionen, die sich – wie schon während der Grünen Revolution 2009 – gegen die fundamenta­le Konstrukti­on der Islamische­n Republik und gegen die Schmarotze­r-clique an ihrer Spitze richtet. Denn der Nachwuchs will endlich teilhaben an den Freiheiten seiner Altersgeno­ssen in anderen Ländern und am Reichtum seiner Heimat, den sich seit Jahrzehnte­n korrupte Kleriker und ihre Machtzirke­l im Namen Allahs gegenseiti­g zuschanzen. Aber auch der Befreiungs­schlag, der dem moderaten Präsidente­n Hassan Rohani 2015 mit dem Atomvertra­g gelang, kommt bisher nicht im Alltagsleb­en an. Stattdesse­n machen innerirani­sche Gegner mit Raketentes­ts und aggressive­r regionaler Hegemonial­politik alle Aussichten auf langfristi­ge Entspannun­g kaputt. Wahrschein­lich heben die Proteste – wie schon 2009 – den Gottesstaa­t dennoch nicht aus den Angeln. Denn mit Syrien steht den Iranern vor Augen, in welch apokalypti­scher Schlächter­ei friedliche Reformford­erungen münden können.

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