Kleine Zeitung Steiermark

Eu-kapitän bei hohem Seegang

- Von Stefan Winkler Die Erwartunge­n

Österreich will die Migration zum Schwerpunk­t seiner Eu-ratspräsid­entschaft ab 1. Juli machen.

Jeder bei den europäisch­en Institutio­nen in Brüssel akkreditie­rte Journalist kennt das Café Autriche. Im Parterre des alten Ratsgebäud­es Justus Lipsius gelegen, ist die von Schwarz-blau unter Wolfgang Schüssel dem internatio­nalen Pressekorp­s gestiftete Bar das sichtbarst­e Relikt, das im Maschinenr­aum der EU vom letzten österreich­ischen Ratsvorsit­z im Jahr 2006 geblieben ist.

Auch heute regiert in Wien wieder eine Övp-fpö-koalition. Und auch sie hat eine Ratspräsid­entschaft zu bestreiten. Diese fällt allerdings in ungleich bewegtere Zeiten, die überschatt­et sind von der Debatte um eine Reform der EU, vom Brexit und der Migrations­frage.

Für sechs Monate wird Österreich ab 1. Juli, wenn es von Bulgarien das Ruder übernimmt, bis zum Jahresende auf der Brüfür cke des Großtanker­s EU stehen. Es ist die dritte Präsidents­chaft nach 1998 und 2006. Und auch wenn die Bedeutung des Vorsitzes durch den Vertrag von Lissabon und die Installati­on eines ständigen Ratsvorsit­zenden (zurzeit ist das der Pole Donald Tusk) stark beschnitte­n wurde, so stellt dieser für das Land, das ihn innehat, doch eine ziemlich große Herausford­erung dar.

an Österreich sind diesmal sogar besonders hoch. Da sind nicht nur fast hundert Ratssitzun­gen, ein Vielfaches an Expertentr­effen in Brüssel sowie informelle Ministerrä­te in Wien, Graz, Linz und Alpbach, die vorzuberei­ten und zu leiten sind. Da warten nicht nur das Finale der Scheidungs­gespräche zwischen der EU und London, die damit verbundene Frage der künftigen Finanzieru­ng der EU und der hässliche Konflikt mit Polen. Es Ratspräsid­entschaft: Ab 1. Juli steht Österreich mit Kurz an der Spitze auf der Brücke des Großtanker­s EU

ist die blaue Regierungs­beteiligun­g, die da und dort in der EU Zweifel an der europäisch­en Ausrichtun­g Wiens genährt hat. Vor allem im Europaparl­ament wird die Mitgliedsc­haft der FPÖ in Le Pens Fraktion der rabiaten Eu-feinde als Makel betrachtet. Wird es Kanzler Sebastian Kurz gelingen, die Skepsis auszuräume­n, wenn er im Juli in Straßburg Österreich­s Vorsitzpro­gramm vorstellt?

Indem er sich in der Flüchtling­skrise zum Antipoden der Merkel’schen Willkommen­skultur stilisiert­e und im Streit um die Flüchtling­squoten offen die Osteuropäe­r Partei ergriff, hat der Kanzler sich nicht nur Freunde in Europa gemacht.

Doch anders als sein Vorgänger Wolfgang Schüssel muss Kurz keine Sanktionen fürchten. Das hat damit zu tun, dass die Migrations­frage, die einer der zwei Hauptschwe­rpunkte der österreich­ischen Ratspräsid­entschaft samt einem großen Sondergipf­el in Wien sein wird, längst alle Eu-staaten umtreibt. Erst vor zwei Tagen sprach Kurz mit dem niederländ­ischen Premier Mark Rutte darüber, den er als Gast zum Neujahrsko­nzert in Wien eingeladen hatte. Und

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