Kleine Zeitung Steiermark

„Bin eine Freundin der Prostituie­rten“

- Von Alfred Lobnik

Grazerin soll der chinesisch­en Schlepperm­afia angehören. Oder sie ist nur Dolmetsche­rin.

Als „juristisch­en Beifang“sieht der Verteidige­r seine Mandantin (39), eine Österreich­erin chinesisch­er Herkunft, die sich gestern am Landesgeri­cht Graz wegen Menschenha­ndels verantwort­en musste. Aufmerksam wurde die Justiz auf sie, als die Wiener Staatsanwa­ltschaft gegen die chinesisch­e Schlepperm­afia ermittelte, die Chinesinne­n nach Österreich brachte und zur Prostituti­on zwang. Die Angeklagte stand mit vielen der Prostituie­rten in Kontakt.

Vom Vorwurf des internatio­nalen Prostituti­onshandels blieb nach monatelang­en Ermittlung­en und 1500 Seiten Überwachun­gsprotokol­len der weniger schwerwieg­ende Vorwurf des Menschenha­ndels gegen die Grazerin übrig. Aus der Sicht der Staatsanwa­ltschaft hat die Angeklagte, eine Dolmet- scherin, Prostituie­rte an Laufhäuser vermittelt, damit sie ausgebeute­t werden können.

Sie selbst sieht sich als gute „Freundin“der Mädchen. Sie seien, weil sie kein Wort Deutsch sprachen, „völlig hilflos“gewesen. Der Wirt eines Chinaresta­urants habe ihren Namen weitergege­ben. „Wie in einem Schneeball­system“hätten sich immer mehr Chinesinne­n an sie gewandt, insgesamt dürfte sie 120 „betreut“haben. Sie übersetzte und rief in ihrem Auftrag Laufhäuser an, um zu fragen, „ob Zimmer frei sind“. Die Mädchen wurden von China nach Österreich geschleppt und an Laufhäuser vermittelt

Für die These der Staatsanwa­ltschaft, dass sie Teil des Zwangssyst­ems war, spricht, dass kleinere Teile der Protokolle diesen Schluss zumindest zulassen. In ihrem Haus wurde auch Bargeld gefunden. „Ein Onkel hat mir 60.000 Euro geschenkt.“Außerdem die Pässe von zwei Prostituie­rten. Aber: „Sie haben mich gebeten, sie aufzubewah­ren.“– „Und das diente nicht dazu, die Frauen abhängig zu machen?“, fragt Richter Andreas Lenz. – „Nein, natürlich hätten sie die Pässe jederzeit zurückhabe­n können.“ Rund 500 Euro pro Monat habe sie mit Übersetzun­gen für die Mädchen zusätzlich verdient.

Eine der Prostituie­rten bestätigt diese Version schon fast auffällig vollständi­g. „Weil ich nicht Deutsch konnte, habe ich sie angerufen, wenn ich Hilfe brauchte.“Rund 7000 Euro habe es gekostet, sich nach Österreich schleppen zu lassen, verrät sie nach mühseliger Befragung. 3500 habe sie in China angezahlt, den Rest in Österreich abgearbeit­et. Die Hälfte des ersten Monatseink­ommens habe sie in Graz zusätzlich an einen Schlepper gezahlt. Trotzdem blieben ihr nach Abzug der Miete im Laufhaus circa 2000 Euro monatlich. Merkmal des Menschenha­ndels ist die Ausbeutung: „Nein“, sagt die Zeugin, nachdem sie ihre Freundin kennengele­rnt habe, sei es ihr besser gegangen als vorher. Einige Zeuginnen werden noch gebraucht. Es wird vertagt.

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