„Boom an der Börse ohne Österreicher“
„Derzeit profitieren nur Ausländer von der Wiener Börse“, sagt Anlegerschützer Wilhelm Rasinger provokant. Der gerade verschärfte Anlegerschutz sei kontraproduktiv.
Bisher hat sich die Politik wenig um Österreichs Börse gekümmert. Erwarten Sie nun von der neuen Regierung Rückenwind für Wien als Aktienhandelsplatz?
WILHELM RASINGER: Da die Börse bisher nur Seitenwind oder sogar Gegenwind hatte, täte ein bisschen Rückenwind Not. Aber es muss einem natürlich klar sein, dass jetzt einmal andere Themen prioritär sind.
Sie haben so viel Verständnis? Ich kann zumindest nicht sagen, oje, jetzt wird es noch schlimmer. Aber verstehen? Nein, weil es falsch ist, wenn man sich einmal mehr nicht mit diesem wichtigen Thema beschäftigt. Angesichts der massiven Veränderungen, die auf uns zukommen, brauchen wir einen adäquaten Kapitalmarkt. Wir sind auf diese Veränderungen bisher absolut nicht vorbereitet.
Welche Veränderungen?
Die Banken werden durch immer schärfere Richtlinien der EU immer weiter in ihren Finanzierungsmöglichkeiten eingeschränkt. Für Österreich und Deutschland ist das von großer Bedeutung, weil Unternehmen hier sehr stark bankenfinanziert sind. Die Finanzierung durch die Crowd ist ja nett, aber damit lösen wir das Problem nicht, wenn Unternehmen größeren Kapitalbedarf haben. Es kann nicht sein, dass wir so relevante Dinge wie die Finanzierung der Wirtschaft freundlich ausgedrückt ans Ausland delegieren. Man könnte auch sagen, wir werden getrieben.
Dem Chef der Wiener Börse, Christoph Boschan, werden allgemein Rosen gestreut. Würden Sie ihm auch ein gutes Zeugnis ausstellen?
Er ist sehr ambitioniert, aber er ist in seiner Funktion natürlich der Chef einer Dienstleistungseinrichtung. Auch seine Vorgängerin Birgit Kuras hat sich sehr bemüht. Die Probleme, die es schon lang gibt, hat die Politik zu lösen. Wir brauchen bessere Rahmenbedingungen, um zu wachsen. Die heimische Bevölkerung soll in heimische Aktien investieren. Derzeit erleben wir einen Boom an der Wiener Börse, aber der findet ohne Inländer statt, es profitieren nur Ausländer.
Damit keine Missverständnisse entstehen: Sie meinen damit, dass ausländische Investoren stark in Österreich engagiert sind, Österreicher aber nicht.