Beim Gedenken
Beim heutigen Holocaust-gedenken in Wien ist die Regierung, die vom Skandal um Nslieder eingeholt wird, nur durch die Staatssekretärin vertreten.
Erst seit wenigen Jahren gedenkt das offizielle Österreich auch der Befreiung von Auschwitz am 27. Jänner 1945. Während die Hinwendung zu den dunkelsten Stunden unserer Geschichte stets um den Tag der Befreiung herum (8. Mai) in Form eines Staatsakts erfolgt, begeht die Republik seit 2012 auch den internationalen Holocaust-gedenktag am 27. Jänner. Den Anstoß dafür lieferte die verstorbene Nationalratspräsidentin Barbara Prammer, seit damals laufen die Fäden für das Gedenken im Parlament zusammen. 2015 stellte sich der ehemalige Chefredakteur der „Jerusalem Post“, Ari Rath, den Fragen von Jugendlichen, 2016 widmete sich eine Ausstellung der Ns-medizin. Heute Nachmittag lädt Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka ein. Danielle Spera, Direktorin des Jüdischen Museums, interviewt einige Zeitzeugen, ein Rabbiner spricht das Totengebet, junge Künstler sorgen für die musikalische Umrahmung.
Die Veranstaltung steht im heurigen Jahr im Zeichen einer heftigen Kontroverse: Die Israelitische Kultusgemeinde boykottiert alle Gedenken. Am 9. Jän- ner beschloss der Vorstand der Kultusgemeinde, bis auf Weiteres allen Veranstaltungen des offiziellen Österreichs fernzubleiben, an denen womöglich Fpö-minister teilnehmen. Begründet wird dies mit der Zugehörigkeit freiheitlicher Minister zu Burschenschaften – mit dem Argument, die deutschnationalen Verbindungen seien die Vordenker des politischen Antisemitismus gewesen. Es entbehrt nicht einer bitteren Ironie, dass die Regierung ausgerechnet in diesen Tagen von den Enthüllungen über Ns-lieder in einer Burschenschaft, der der niederösterreichische Promille der Österreicher gehören nach Schätzungen von Experten den deutschnationalen, schlagenden Burschenschaften an, diese sind vor allem in Universitätsstädten beheimatet. Prozent der Fpö-nationalräte gehören einer Burschenschaft an. Aktuell sind 17 Abgeordnete bei schlagenden Verbindungen. Von den neun Fpölandesparteiobmännern sind fünf Burschenschafter, im rund 40-köpfigen Parteivorstand der Freiheitlichen Partei hatten die Burschenschafter, so der Stand vom 12. Jänner 2017, sogar die Absolute (22 von 37 Mitgliedern). Fpö-spitzenkandidat Udo Landbauer als Vize vorsteht, eingeholt werden.
Umso verwunderlicher ist es, dass nicht nur die freiheitlichen Minister beim heutigen Gedenken durch Abwesenheit glänzen. Die 16-köpfige Regierung ist bei der heutigen Holocaust-veranstaltung, so der Stand gestern Abend, nur durch Staatssekretärin Karoline Edtstadler vertreten. In Koalitionskreisen verteidigt man sich, die Staatssekretärin sei in der Regierung ausdrücklich für die Erinnerungskultur verantwortlich. Im Übrigen habe in den Jahren zuvor die Regierungsspitze nie am Holocaust-gedenken teilgenommen.
Der heutige Termin bildet den Auftakt zu einem Veranstaltungsreigen im heurigen Gedenkjahr. Am 12. März jährt sich der Anschluss an Hitler-deutschland zum 80. Mal. 2008 wurde im Rahmen eines großen Staatsaktes im Parlament des Einmarsches der Nazis gedacht, die FPÖ meldete sich damals, berichtet die Austria Presse Agentur, mit keiner Silbe zu Wort.
Dass die Freiheitlichen bisweilen ein verkrampftes Verhältnis zur dunklen Vergangenheit Österreichs haben, liegt auch an der Durchsetzung des blauen Lagers mit deutschnationalen Burschenschaftern. Während das offizielle Österreich langsam realisiert hat, dass der 8. Mai als Tag der Befreiung vom Naziregime einzuordnen ist, ist bei vielen Burschenschaften das Datum immer noch negativ konnotiert.