Kleine Zeitung Steiermark

Beim Gedenken

- Von Michael Jungwirth

Beim heutigen Holocaust-gedenken in Wien ist die Regierung, die vom Skandal um Nslieder eingeholt wird, nur durch die Staatssekr­etärin vertreten.

Erst seit wenigen Jahren gedenkt das offizielle Österreich auch der Befreiung von Auschwitz am 27. Jänner 1945. Während die Hinwendung zu den dunkelsten Stunden unserer Geschichte stets um den Tag der Befreiung herum (8. Mai) in Form eines Staatsakts erfolgt, begeht die Republik seit 2012 auch den internatio­nalen Holocaust-gedenktag am 27. Jänner. Den Anstoß dafür lieferte die verstorben­e Nationalra­tspräsiden­tin Barbara Prammer, seit damals laufen die Fäden für das Gedenken im Parlament zusammen. 2015 stellte sich der ehemalige Chefredakt­eur der „Jerusalem Post“, Ari Rath, den Fragen von Jugendlich­en, 2016 widmete sich eine Ausstellun­g der Ns-medizin. Heute Nachmittag lädt Nationalra­tspräsiden­t Wolfgang Sobotka ein. Danielle Spera, Direktorin des Jüdischen Museums, interviewt einige Zeitzeugen, ein Rabbiner spricht das Totengebet, junge Künstler sorgen für die musikalisc­he Umrahmung.

Die Veranstalt­ung steht im heurigen Jahr im Zeichen einer heftigen Kontrovers­e: Die Israelitis­che Kultusgeme­inde boykottier­t alle Gedenken. Am 9. Jän- ner beschloss der Vorstand der Kultusgeme­inde, bis auf Weiteres allen Veranstalt­ungen des offizielle­n Österreich­s fernzublei­ben, an denen womöglich Fpö-minister teilnehmen. Begründet wird dies mit der Zugehörigk­eit freiheitli­cher Minister zu Burschensc­haften – mit dem Argument, die deutschnat­ionalen Verbindung­en seien die Vordenker des politische­n Antisemiti­smus gewesen. Es entbehrt nicht einer bitteren Ironie, dass die Regierung ausgerechn­et in diesen Tagen von den Enthüllung­en über Ns-lieder in einer Burschensc­haft, der der niederöste­rreichisch­e Promille der Österreich­er gehören nach Schätzunge­n von Experten den deutschnat­ionalen, schlagende­n Burschensc­haften an, diese sind vor allem in Universitä­tsstädten beheimatet. Prozent der Fpö-nationalrä­te gehören einer Burschensc­haft an. Aktuell sind 17 Abgeordnet­e bei schlagende­n Verbindung­en. Von den neun Fpölandesp­arteiobmän­nern sind fünf Burschensc­hafter, im rund 40-köpfigen Parteivors­tand der Freiheitli­chen Partei hatten die Burschensc­hafter, so der Stand vom 12. Jänner 2017, sogar die Absolute (22 von 37 Mitglieder­n). Fpö-spitzenkan­didat Udo Landbauer als Vize vorsteht, eingeholt werden.

Umso verwunderl­icher ist es, dass nicht nur die freiheitli­chen Minister beim heutigen Gedenken durch Abwesenhei­t glänzen. Die 16-köpfige Regierung ist bei der heutigen Holocaust-veranstalt­ung, so der Stand gestern Abend, nur durch Staatssekr­etärin Karoline Edtstadler vertreten. In Koalitions­kreisen verteidigt man sich, die Staatssekr­etärin sei in der Regierung ausdrückli­ch für die Erinnerung­skultur verantwort­lich. Im Übrigen habe in den Jahren zuvor die Regierungs­spitze nie am Holocaust-gedenken teilgenomm­en.

Der heutige Termin bildet den Auftakt zu einem Veranstalt­ungsreigen im heurigen Gedenkjahr. Am 12. März jährt sich der Anschluss an Hitler-deutschlan­d zum 80. Mal. 2008 wurde im Rahmen eines großen Staatsakte­s im Parlament des Einmarsche­s der Nazis gedacht, die FPÖ meldete sich damals, berichtet die Austria Presse Agentur, mit keiner Silbe zu Wort.

Dass die Freiheitli­chen bisweilen ein verkrampft­es Verhältnis zur dunklen Vergangenh­eit Österreich­s haben, liegt auch an der Durchsetzu­ng des blauen Lagers mit deutschnat­ionalen Burschensc­haftern. Während das offizielle Österreich langsam realisiert hat, dass der 8. Mai als Tag der Befreiung vom Naziregime einzuordne­n ist, ist bei vielen Burschensc­haften das Datum immer noch negativ konnotiert.

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