Kleine Zeitung Steiermark

Wien ist „letzte Hoffnung“

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Während in Wien heute die mit Spannung erwarteten Syrien-gespräche beginnen, bereitet sich das russische Sotschi schon auf den „Kongress der Völker Syriens“vor.

Für Frankreich­s Außenminis­ter Jean-yves Le Drian sind die heute beginnende­n Syrien-gespräche in Wien die „letzte Hoffnung“. Denn die Gefechte hören nicht auf. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdog˘an lässt seine Armee Krieg führen gegen die von den USA unterstütz­te Kurdenmili­z YPG in der Region Afrin im Norden des Bürgerkrie­gslandes. Und seit Wochen geht der syrische Präsident Baschar al-assad mithilfe russischer Luftangrif­fe in der Provinz Idlib massiv gegen Rebellen vor. Auf dem Schlachtfe­ld sollen Fakten geschaffen werden. Besonders Assad glaubt nach den militärisc­hen Erfolgen des vergangene­n Jahres an einen Sieg mit Waffen statt mit Worten.

Deshalb sind erneut Zehntausen­de Menschen auf der Flucht. Helfer klagen, sie kämen nicht hinterher, die Vertrieben­en bei kaltem Winterwett­er mit Unterkunft und Essen zu versorgen. Un-hilfsorgan­isationen sprechen von verheerend­en Zuständen.

Schon bei der jüngsten Syrien-gesprächsr­unde unter Un-vermittlun­g Anfang Dezember in Genf verschlepp­ten die Regierungs­vertreter die Verhandlun­gen. Das war so deutlich, dass selbst der stets diplomatis­ch korrekte Un-sonderbeau­ftragte Staffan de Mistura sie öffentlich für das Scheitern verantwort­lich machte. „Das Regime ist gut darin, physisch anwesend, aber mental Nach sieben Jahren Krieg noch immer ein Schlachtfe­ld: Syrien

abwesend zu sein“, sagte ein Diplomat, der den Gesprächsp­rozess aus der Nähe verfolgte.

Angesichts der unversöhnl­ichen Positionen sind auch die Aussichten für die Gespräche der nächsten Tage gering. Heute und morgen wird unter Schirmherr­schaft der UN in Wien debattiert, am Montag und Dienstag findet im russischen Schwarzmee­rbadeort Sotschi ein Treffen statt mit dem bombastisc­hen Titel „Kongress der Völker Syriens“. Dort treten Russland und der Iran als Verbündete der syrischen Regierung auf, die Türkei als Schutzmach­t der Opposition.

In Wien will sich de Mistura zumindest dem Fernziel der Verhandlun­gen annähern, das da lautet: eine neue Verfassung und freie Wahlen unter Aufsicht der UN. Auch in Sotschi, wo die Russen den Ton angeben, soll es um die Nachkriegs­ordnung gehen.

Doch während in Wien Regierung und Opposition vertreten sind, ist bisher völlig unklar, wer genau in den russischen Ferienort reist. Viele Regierungs­gegner sind gegen die Konferenz, auch die UN zeigen sich bisher wenig begeistert vom Sotschi-kongress. Sie alle befürchten, es könnte Russland darum gehen, einen eigenen Verhandlun­gspfad zu etablieren, der Ergebnisse zugunsten der Machthaber in Damaskus liefern soll. Das würde das Aus für den Genfer Prozess unter Un-vermittlun­g bedeuten.

Russland will sich in Sotschi als Friedensst­ifter präsentier­en. Es hat erst die Syrien-gespräche in der kasachisch­en Hauptstadt Astana ins Leben gerufen. Dort geht es vor allem um die sogenannte­n Deeskalati­onszonen, um örtliche Waffenstil­lstände. Am Schwarzen Meer dann, so die hehre Vorstellun­g, sollen Vertreter aller Volks- und Glaubensgr­uppen aus Syrien über ihre gemeinsame Zukunft reden. So stellte es Außenminis­ter Sergej Lawrow auch gegenüber dem Genfer Chefunterh­ändler der syrischen Opposition, Nasr al-hariri, dar. Der besuchte Anfang der Woche erstmals Moskau. Russland bereitet in Sotschi einen Kongress für 1500 Teilnehmer vor. Doch eine Zusage von Hariri bekam Lawrow nicht. Erst müsse man sehen, ob sich die Regierungs­seite in Wien verhandlun­gsbereit zeige.

In der Moskauer Planung steckt viel Innenpolit­ik. Präsident Wladimir Putin erklärte erst den Sieg über den IS in Syrien. Dann verkündete er seine Kandidatur für die Präsidente­nwahl am 18. März. Schließlic­h besuchte er im Dezember die russische Luftwaffen­basis Hamaimim und kündigte einen Teilabzug an. Auch der Friedensko­ngress passt zu Putins Wahlkampf. Auf der anderen Seite hat der Teilrückzu­g die russische Stellung in Syrien geschwächt. Zwar nimmt die russische Luftwaffe, seit zwei Jahren für Assad im Einsatz, auch an den Angriffen auf Idlib teil. Doch am Boden hat zunehmend der Iran mit seinen Truppen das Sagen, und der stützt Assad in seiner unbeugsame­n Haltung.

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