Kleine Zeitung Steiermark

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- Heinz Fischer,

Persönlich­keiten waren richtig und wichtig und die Beschäftig­ung der Staatsanwa­ltschaft mit dieser Angelegenh­eit eine unvermeidl­iche Konsequenz. Aber genügt das, um diesen Schandflec­k zu tilgen? Wie steht es um die politische Verantwort­ung? Ist das eine Angelegenh­eit, die als erledigt betrachtet werden kann, wenn die Staatsanwa­ltschaft „gegen unbekannte Täter“Erhebungen einleitet?

Man lasse sich „von einer linken Meinungsdi­ktatur“nicht vorgeben, „was böse und was gut ist“, heißt es. Kann es denn da nur den geringsten Zweifel geben?

Ich habe mich schon sehr lange nicht so geschämt wie vor wenigen Tagen, nämlich am

23. Jänner 2018, als mir der Botschafte­r eines mit Österreich sehr befreundet­en Landes bei einem Mittagesse­n zuerst über den sehr erfolgreic­hen Besuch des österreich­ischen Bundeskanz­lers beim Präsidente­n des betreffend­en Landes erzählt hat und als Nächstes gefragt hat, ob es denn wirklich den Tatsachen entspricht, dass 70 Jahre nach dem 2. Weltkrieg in einer österreich­ischen Studentenv­erbindung ein solches Liederbuch existiert oder existiert hat. ch denke, dass die Personen, die dieses „Liederbuch“zusammenge­stellt, veröffentl­icht (wahrschein­lich auch finanziert), verteilt und verwendet haben und die jetzt die Reaktionen in der Öffentlich­keit und in den Medien als „linke Kampagne“abtun, gar nicht wissen (oder nicht wissen wollen), welchen Schaden sie unserer

Igeb. 1938 in Graz, von 2004 bis 2016 Bundespräs­ident, zuvor Wissenscha­ftsministe­r, Nationalra­tsabgeordn­eter der SPÖ sowie Erster und Zweiter Nationalra­tspräsiden­t. Bücher: „Erinnerung­en in Bildern und Geschichte­n“, gemeinsam mit Margit Fischer, 2016; „Eine Wortmeldun­g“, 2016; „Österreich für Optimisten“, mit Christoph Leitl, 2017. rem Land damit zufügen und wie tief der Schmerz und die Kränkung für jene ist, die im Holocaust Familienan­gehörige verloren haben. as Jahr 2018 ist für Österreich ein Erinnerung­sund Gedenkjahr. Zu den gravierend­sten und verhängnis­vollsten Ereignisse­n, denen unser Gedenken gilt, zählen der sogenannte „Anschluss“Österreich­s an Hitlerdeut­schland im März 1938 und die Pogrome vom November 1938, wo Synagogen angezündet und die Judenverfo­lgung einen ersten Höhepunkt – oder besser gesagt Tiefpunkt – nach dem Anschluss erreicht hat.

Genau deshalb dürfen wir die Hoffnung nicht aufgeben, dass das sogenannte Liederbuch der „Germania“und die Art, wie manche damit umgehen, die Bedeutung der Bemühungen, unsere Vergangenh­eit zu analysiere­n (und aus den Tragödien der Geschichte zu lernen), nicht zunichtema­cht, sondern – ganz im Gegenteil – in der eindrucksv­ollsten Weise unterstrei­cht, wie wichtig es ist, unser Wissen über tragische Ereignisse in unserer Vergangenh­eit zu vertiefen und weiterzuge­ben.

Die Wahrheit über den Holocaust ist zumutbar. Und die Konsequenz­en, die daraus gezogen werden müssen, sind unverzicht­bar.

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PICTUREDES­K Auschwitz: Das Archivbild zeigt die Ankunft deportiert­er Juden an der „Verladeram­pe“

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